Köln

Ein Kölner Grundstückskrimi

Grundstück.

Domgärten

Der Parlamentarische Untersuchungsausschusses zum Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW schont die Spekulanten Bauwens-Adenauer und Göttsch

Die Alteburger Straße in der Kölner Südstadt unterquert hinter dem Friedenspark Richtung Süden die Eisenbahnlinie. Rechts und links erstrecken sich von da bis zur Schönhauser Straße hässliche Grundstücke, die schönfärberisch Domgärten genannt werden. Links liegt die Gaststätte Alteburg mit Biergarten, dann sind auf der östlichen Seite der Straße Wohncontainer für Flüchtlinge zu erkennen, solange plakatierte Bauzäune uns nicht die Sicht darauf nehmen. Auf der rechten Seite wird Müll verwertet, dann folgt Brache, deren südlicher Teil von der Initiative Neuland für urbane Gärtnerei («urban gardening») genutzt wird.

Hier wurde ab 1965 zunächst Küppers Kölsch gebraut, bis das Grundstück 2001 samt Biergarten von der Dom-Brauerei übernommen wurde. Deren Produktion wurde 2005 ausgelagert. Das Gelände kam an einen Immobilieninvestor. Der Investor verwarf die Pläne, die ursprünglich ein neues Wohnviertel vorgesehen hatten, zugunsten des Neubaus der Fachhochschule. Von dieser Planung ging der Investor aus, es handelt sich um Paul Bauwens-Adenauer, und verkaufte das Grundstück im Frühjahr 2008 an den Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB NRW). Der Deal fiel im Landtag auf. Denn Bauwens-Adenauer hatte innerhalb von acht Wochen 10 Millionen Euro Gewinn machen können. Die Presse schrieb darüber im Mai 2009.

Aber zunächst wurde im Mai 2010 ein neuer Landtag gewählt mit der Folge, dass Rüttgers von Kraft abgelöst wurde. Es regierte eine Koalition von SPD und Grünen.

Am 8. April 2011 gestand der neue Finanzminister Walter-Borjans «Verstöße gegen die Landeshaushaltsordnung» vor dem Haushalts- und Finanzausschuss des Landtages ein. Und einen Monat später, am 18. Mai 2011, wurde ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss (PUA BLB) eingesetzt, um zu klären, wie der Beschluss zur Verlagerung der Fachhochschule zustande gekommen war und «wer letztendlich in welcher Form von dem beschriebenen Ablauf des Verfahrens profitiert hat.» «Insbesondere soll untersucht werden, ob bei Grundstücksgeschäften die vorherigen Schätzungen und später tatsächlich gezahlten Kaufpreise, ferner die vorherigen Schätzungen hinsichtlich einer späteren Verwertung und Nutzung der jeweiligen Grundstücke, in einem Missverhältnis stehen/standen.»

Die Korruptionsvorwürfe, die der PUA BLB zu untersuchen hatte, mehrten sich. Gleichzeitig wurde die Staatsanwaltschaft Wuppertal damit befasst. Tatsächlich kam es zur Anklage. Der ehemalige BLB-Geschäftsführer Tiggemann ist am 13. Februar zu siebeneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Nicht belangt werden die prominenten Nutznießer des Korruptionsfalls: Göttsch und Bauwens-Adenauer. Dass Adenauer mit dem Masterplan die Kölner Stadtplanung privatisiert hat, war nicht Gegenstand der Untersuchung. Aber dadurch erfuhr er nicht nur als erster von den Planungen. Wir dürfen unterstellen, dass er sie regelrecht in Auftrag gab. Das musste die Grundstückspreise in die Höhe treiben. Dieser Hintergrund der Affäre bleibt im PUA unbeachtet. Ebenso, dass mit der Konstruktion des BLB als eigenständigem Betrieb, der die Landesliegenschaften nach kaufmännischen Gesichtspunkten zu verwerten hat, ein Korruptionsherd geschaffen worden ist, der in seinen Verwaltungsvorschriften die Kontrollmöglichkeiten – wir dürfen unterstellen: mit Bedacht – minimierte.

Der BLB-Untersuchungsausschuss nahm schließlich im Oktober 2011 seine Arbeit auf. Außer den Grundstücksgeschäften mit dem Dombrauereigelände waren zwischenzeitlich bemerkenswerte Kostensteigerungen beim Duisburger Landesarchiv, dem Erweiterungsbau des Polizeipräsidiums Köln-Kalk und dem Kauf des Schlosses Kellenberg aufgefallen und in den Katalog der zu untersuchenden Sachverhalte aufgenommen worden. Ein Jahr zuvor hatte die Wuppertaler Staatsanwaltschaft gegen führende BLB-Mitarbeiter wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Untreue Ermittlungen aufgenommen. Damals schon war von einem mindestens dreistelligen Millionen-Schaden für das Land auszugehen.

Bis zur Auflösung des Landtags am 14. März 2012 konnte der Untersuchungsausschuss aber noch keine Ergebnisse vorlegen. Nach den Neuwahlen im Mai 2012 setzte der neue Landtag in seiner Sitzung am 13. Dezember 2012 erneut einen Untersuchungsausschuss ein. Seine Aufgaben wurden erweitert, es ging um weitere Vorgänge, etwa beim Vodafone-Hochhaus in Düsseldorf und beim Landesbehördenhaus Bonn.

Im September 2012 beschloss der Kölner Stadtrat das Entwicklungskonzept südliche Innenstadt-Erweiterung (ESIE), das einen Grünzug, mit Wohnen, Gewerbe und einer Schule vorsah. Aber der BLB wollte stattdessen auf dem Gelände sämtliche Kölner Gerichte ansiedeln. Dagegen mobilisierten BISA (Bürgerinitiative südliche Altstadt) zusammen mit i:mgik (Initiative: Mehr Gesamtschulen in Köln). Die beiden Initiativen wollten kein Justizzentrum auf dem Gelände der Dombrauerei. ESIE sollte verwirklicht werden. Immerhin hat die Stadt die Planungshoheit über das insgesamt100 Hektar große Gelände. Dabei blieb es. Das Gelände wird zwischenzeitlich für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt. Weder FH noch Justizzentrum sind dort geplant. Aber bezahlbarer Wohnraum in Gestalt von Geschosswohnungen wird es nur geben, wenn erheblicher politischer Druck aufgebaut und aufrecht erhalten wird.

Am 21. Dezember 2013, drei Jahre nach der ersten Konstituierung des BLBUntersuchungsausschusses, konnten wir in der Kölnischen Rundschau lesen: «Mit der Vernehmung des ersten Zeugen ist der Untersuchungsausschuss des NRW-Landtags zu verdächtigen Immobiliendeals in die heiße Phase gestartet. Schon bei der ersten Frage war gestern allerdings Schluss für alle Beobachter: Staatsanwalt Ole Eicker aus Wuppertal durfte öffentlich nicht einmal beantworten, ob die Korruptionsermittlungen, in die er seit Jahren eingebunden ist, noch andauern. Eine Frage, die die Behörde jedem Journalisten beantwortet, der sie stellt: ‹Ja, sie dauern noch an und sind schon weit fortgeschritten.› Der zähe Einstieg in die Aufklärungsarbeit verdeutlicht die Probleme des Ausschusses, der sich ein Jahr lang weitgehend mit Verfahrensfragen beschäftigt hat. Bestandteile der Ermittlungsakten stehen nicht zur Verfügung, andere sind als vertraulich eingestuft, und die entscheidenden Figuren der Affäre können sich ohnehin auf ihr Schweigerecht berufen.» Soweit aus dem Bericht der Kölnischen Rundschau.

Unterdessen ist der Untersuchungsausschuss aber in die Gänge gekommen. Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW ist eine junge Einrichtung des Landes. Erst infolge BLB-Gesetz vom 12. Dezember 2000 sind die Liegenschaften des Landes NRW in einen selbstständigen Betrieb überführt worden. Der BLB NRW verfügt – Stand 2013 – über 4604 Gebäude, Mietflächen von insgesamt 10,5 Millionen Quadratmetern und ein Mietumsatz von 1,2 Milliarden Euro. Gesamtwert neun Milliarden Euro. Es handelt sich somit um das zweitgrößte europäische Immobilienunternehmen. Gemäß gesetzlichem Auftrag sind diese öffentlichen Liegenschaften nach kaufmännischen Grundsätzen zu entwickeln und zu verwerten. Bei derartiger Verwertung gerät der andere gesetzliche Auftrag, nämlich die Beachtung baupolitischer Ziele des Landes, schon mal aus dem Auge. Er könnte beispielsweise die Aufgabe einschließen, dem Geschosswohnungsbau günstige Grundstücke zur Verfügung zu stellen.

Rasenlandschaft, im Hintergrund Bebauung.

Es ist schon fraglich, ob die Vermietung von Liegenschaften des Landes an Landeseinrichtungen nach kaufmännischen Gesichtspunkten Fehlkalkulationen zu mindern imstande ist, aber die damit verbundene Marktöffnung, führte geradewegs und fast unvermeidlich zu Korruptionsfällen.

Tatsächlich stiegen die Preise. Grundstücksspekulanten verdienten viel Geld. In kurzer Frist entstanden dem Land riesige Schäden. Es häuften sich die Fälle. Der zu untersuchende Sachverhalt wird so beschrieben: Der landeseigene Bau- und Liegenschaftsbetrieb Nordrhein-Westfalen (nachfolgend BLB NRW) steht wegen Korruptionsvorwürfen gegen führende Mitarbeiter seit geraumer Zeit im Zentrum staatsanwaltlicher Ermittlungen. Auch gegen private Bauprojektentwickler wird in diesem Zusammenhang ermittelt. Weiter ist dem BLB NRW in Berichten des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen (LRH NRW) attestiert worden, dass er bei den überprüften Bauvorhaben seiner Rolle als landeseigener Immobilienentwickler und Baufinanzierer, der letztlich durch unternehmerisches Handeln Erträge erwirtschaften und dadurch den Landeshaushalt entlasten soll, in gravierender Weise nicht gerecht geworden ist.

Wegen der Menge der Korruptionsvorgänge zogen sich die Untersuchungen über Jahre hin. Am Ende der Legislaturperiode wurde der Ausschuss fleißig. Dennoch konnte er erst am 15. Februar 2017 seinen Schlussbericht dem Landtag vorlegen.

Just zwei Tage zuvor war der vormalige Chef des BLB, Ferdinand Tiggemann, wegen Bestechlichkeit und Untreue zu sieben Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Der BLBChef habe über Jahre mit einem kriminellen Immobilienmakler zusammengearbeitet. Die beiden hätten unter anderem durch illegale Absprachen und Zwischenkäufe von Grundstücken die Kaufpreise in die Höhe getrieben.

Im folgenden stütze ich mich auf den Schlussbericht des PUA BLB, datiert auf den 31. Januar 2017. Auf den Seiten 327 bis 408 wird versucht, die Affäre um die Fachhochschule Köln aufzuklären. Außer einer Reihe von Mitarbeitern des BLB, dem ehemaligen Geschäftsführer Tiggemann und Krähmer, sind noch vernommen worden der ehemalige Oberbürgermeister Schramma, der ehemalige Wirtschafts- und Liegenschaftsdezernent Dr. Walter-Borjans sowie der ehemalige Planungsdezernent Streitberger. Außerdem mussten Vertreter vom Finanzministeriumg und dem Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung (MIWF) Rede und Antwort stehen. Von den nutznießenden Unternehmern sagten aus: Göttsch, Bauwens-Adenauer und Dr. Adenauer. Die Zeugen Göttsch und Tiggemann indessen machten von ihrem umfassenden Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch und keine Angaben zur Sache. Der Notar Dr. Droste, MdL, musste schweigen. Die Geschäftsführung der beteiligten Projektgesellschaften hatte ihn nicht von seiner Verschwiegenheitsverpflichtung entbunden.

Das Bauvorhaben der Fachhochschule (FH) Köln auf den Liegenschaften «Domgärten» in der Kölner Südstadt war geprägt von drei Sachverhalten: Erstens wurde der Ersatzneubau von der FH Köln und dem BLB geplant und wurden die dafür vorgesehenen «Domgärten» gekauft, ohne dass eine verbindliche Entscheidung seitens der Landesregierung vorlag. Zweitens ließ sich für den Erwerb der damalige Sprecher der Geschäftsführung auf die vertragliche Konstruktion eines Zwischenerwerbs durch einen Investor ein, die befürchtete Mehrkosten verhindern sollte, aber gleichzeitig erhebliche konkrete Mehrkosten verursachte. Drittens hatte die Stadt Köln bauplanungsrechtliche Vorstellungen für die «Domgärten», die den Bau einer Fachhochschule zumindest erschwerten. (Schlussbericht des PUA BLB, S. 327 f.)

Im Frühjahr des Jahres 2008 boten die Kölner Projektentwickler Bauwens und Göttsch dem BLB ein in der Kölner Südstadt gelegenes Grundstück auf den «Domgärten» für den Bau eines Finanzamts- oder Justizzentrums an, das – ergänzt um umliegende «Domgärten»-Grundstücke – der BLB-Geschäftsführer Tiggemann auch für den Ersatzneubau der FH Köln als geeignet ansah. Bauwens/Göttsch waren nicht Eigentümer der Grundstücke, hatten aber Optionsverträge mit den Eigentümern geschlossen, die nicht notariell beurkundet waren. (S. 328)

Da Herr Tiggemann befürchtete, dass die Eigentümer gegenüber dem öffentlich-rechtlichen BLB nicht marktgerechte Preise verlangen würden, sollten die Projektgesellschaften von Bauwens/Göttsch (mit den bierseligen Namen Gambrinus, Animus und Tertianus) zunächst die Grundstücke erwerben und sodann an den BLB – nach Aufschlag aller eigenen Kosten und Aufwendungen sowie einem entgangenen Projektentwicklungsgewinn – weiter veräußern. Konkrete Überlegungen dazu, weshalb diese Mehrkosten für geringer erachtet wurden als die befürchteten Preisaufschläge der Eigentümer gegenüber dem BLB, wurden nicht dokumentiert, teilt der PUA mit.

Zwischen Juli 2008 und Dezember 2009 gab der BLB gegenüber drei verschiedenen Projektgesellschaften von Bauwens/Göttsch für die «Domgärten»-Grundstücke notariell beurkundete Kaufangebote ab. Nur im ersten Fall («Domgärten I») verpflichtete sich auch die Projektgesellschaft zur Abgabe eines Verkaufsangebots. Die vom BLB insgesamt vereinbarten Kaufpreise lagen mit etwa 80 Millionen Euro beinahe 25 Millionen Euro über den von den Projektgesellschaften gezahlten Ankaufspreisen. Versuche des BLB, von Bauwens/Göttsch oder direkt vom Grundbuchamt die von den Projektgesellschaften gezahlten Kaufpreise vor Angebotsabgabe zu erfahren, scheiterten. (S. 329)

In einem Fall («Domgärten VIII») erwarb der BLB das Grundstück unmittelbar von der damaligen Eigentümerin, zahlte an eine Gesellschaft der Bauwens-Gruppe aber eine Maklervergütung in Höhe von ca. 258.000 Euro. Der Plan des BLB, mit einer Gesellschaft der Bauwens-Gruppe auch einen Dienstleistungsvertrag über die Verwaltung des Grundstücks abzuschließen, wurde nach einem Einspruch des FM aufgegeben.

Der folgende Satz ist dem Ausschuss so wichtig, dass er sogar fast gleichlautend zwei Mal im Bericht vorkommt, einmal auf Seite 329: «Der Ausschuss hat keine Anhaltspunkte dafür, dass Bauwens/Göttsch einen Hinweis über die Pläne des BLB und der FH Köln erhielten und aufgrund dessen in Vorverhandlungen mit den Eigentümern der Grundstücke traten. Zweifellos profitierten sie jedoch erheblich durch die vom BLB sich selbst zugeteilte Rolle.» Das andere mal auf Seite 345: «Der Ausschuss hat keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass Bauwens/Göttsch einen Hinweis über die Pläne des BLB und der FH Köln erhielten und aufgrund dessen in Vorverhandlungen mit den Eigentümern der Grundstücke getreten waren. Zweifellos profitierten sie aber davon, dass der BLB ihnen gegenüber nicht wie ein Wettbewerber und Konkurrent auftrat, sondern ihnen – wie nachfolgend erörtert – ohne weiteres eine Monopolstellung über die Grundstücke ermöglichte.» Tatsächlich ergeben sich derartige Anhaltspunkte schon aus der Lektüre von Tageszeitungen. Denn am 29. Juli 2009 hatte die Kölnische Rundschau (KR) ihren Lesern den Masterplan erklärt. «Das Büro Albert Speer und Partner hat 2008 einen Masterplan als deutlich definierten Rahmen und Regiebuch für die Entwicklung der Rheinmetropole in den nächsten zehn bis 15 Jahren erarbeitet. Die Initiative dazu war vom Verein Unternehmer für die Region Köln unter Vorsitz von Paul Bauwens-Adenauer ausgegangen…»

Diesen Masterplan nahm der Rat der Stadt Köln nach Fertigstellung mit Beschluss vom 5. Mai 2009 an. In dem Plan wird die künftige Ansiedlung der FH erörtert: «Im Umfeld der Alteburger Straße wurde zusätzlich zum Standort Deutz auch die mögliche Ansiedlung des Ingenieurwissenschaftlichen Zentrums der Fachhochschule Köln untersucht. Analog zum bestehenden Volumen am Standort Deutz wären hier etwa 100.000 qm Bruttogrundrissfläche in einer überwiegend siebengeschossigen Bebauung möglich. Die Erschließung durch die neue Nord- Süd-Stadtbahn bietet zeitnah eine sehr gute Anbindung und Erreichbarkeit des Kölner Hauptbahnhofs. Durch die zusätzliche Entwicklung eines möglichen Haltepunkts auf dem Eisenbahnring wäre die Fachhochschule regional sehr gut eingebunden.» (Masterplan, Vertiefungsphase 04, S. 86)

Dieser Umstand wieder sogar vom PUA-Bericht gewürdigt: «Überlagert wurde die Planung der Projektgruppe durch den angesprochenen ‹Masterplan für die Stadt Köln›, den das Stadtplanungsund Architekturbüro Albert Speer & Partner auf Initiative von Kölner Wirtschaftsvertretern erstellte. Mitherausgeber des Masterplans war der damalige Vorsitzende des ‹Unternehmer für die Region Köln e.V.›, der Zeuge Bauwens-Adenauer. Der Masterplan wurde am 27.11.2008 der Stadt übergeben und mit Ratsbeschluss vom 05.05.2009 als ‹grundsätzliche Handlungsempfehlung und strategische Zielausrichtung für die zukünftige Entwicklung der Innenstadt› angenommen. Die verbindlichen Geschäfte zwischen Bauwens/Göttsch und dem BLB über die Grundstücke ‹Domgärten I bis III› waren damit bereits geschlossen, als der Masterplan vorgestellt wurde. Der Verfasser des Masterplans Albert Speer war nach Angaben des Zeugen Bauwens-Adenauer zuvor über die Planung eines FH-Ersatzneubaus in der Südstadt informiert worden, konnte diese aufgrund der weit fortgeschrittenen Entwicklung des Masterplans aber nicht mehr dezidiert in den Plan aufnehmen (APr. 16/1000, S. 35).» (S. 376)

Nicht dezidiert – also nicht entschieden, nicht bestimmt. Die Preisvorstellungen auf dieser Grundlage gerieten indes sehr bestimmt, sehr entschieden!

So teilt uns der Schlussbericht unverhohlen mit: Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass sich der BLB über die beschriebene Konstruktion zwar nicht dem Preisdiktat der ursprünglichen Eigentümer, sehr wohl aber dem Preisdiktat von Bauwens/Göttsch gegenüber sah. Diese waren selbstverständlich auf größtmöglichen Gewinn bei kleinstmöglichem Risiko aus, während der BLB zur Realisierung des Projekts auf ihr Wohlwollen angewiesen war. Dies zeigte sich aus Sicht des Ausschusses bei den einseitigen Kaufverpflichtungen bzgl. «Domgärten II bis VII» sowie den Vereinbarungen hinsichtlich «Domgärten VIII». Erstere erlaubten es Bauwens/Göttsch, im Falle eines besseren Angebots die Flächen anderweitig zu veräußern. Für die «Domgärten VIII» war der BLB bereit, mit der Verwaltung des eigenen Grundstücks eine seiner ureigenen Aufgaben an ein Unternehmen der Bauwens-Gruppe gegen Vergütung zu vergeben.

Schließlich war aus Sicht des Ausschusses zu kritisieren, dass Bauwens/Göttsch für einen «entgangenen Projektgewinn» entschädigt wurden, obwohl sie das Projekt – hätte der BLB die «Domgärten» unmittelbar von den Eigentümern erworben – gar nicht hätten realisieren können. Damit verschaffte der BLB Bauwens/Göttsch erst die Monopolstellung, die diese – aus unternehmerischer Sicht nachvollziehbar – auch ausnutzten, und trat nicht als Konkurrent/Wettbewerber im Markt auf. (S. 329 f.)

Unter Verweis auf diese Monopolstellung holte der BLB vor Abgabe der notariellen Ankaufsangebote keine Verkehrswertgutachten ein. Nur im Fall der «Domgärten IX» lag vor dem Ankauf im Dezember 2009 ein Gutachten vor. Dieser Ankauf diente letztlich der Vervollständigung der bereits erworbenen Flächen. Dabei stand zu diesem Zeitpunkt ein Ersatzneubau auf den «Domgärten» wieder in Frage. Bereits seit dem Frühjahr 2009 zeichnete sich im Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie (MIWFT), im Ministerium für Bauen und Verkehr (MBV) und im Finanzministerium (FM) ab, dass die Umzugspläne zu Gunsten einer Sanierung des Ingenieurwissenschaftlichen Zentrums (IWZ) im Bestand aufgegeben werden könnten. Im Anschluss an die erstmalige Präsentation der Ersatzneubaupläne durch den BLB und die FH Köln gegenüber Vertretern der Ministerien gerieten diese Pläne auf den Prüfstand, was in der Beauftragung weiterer Standort- und Kostengutachten resultierte. Unterdessen bereiteten der BLB, die FH Köln und die Stadt Köln im Rahmen einer Projektgruppe seit April 2009 einen städtebaulichen Wettbewerb für die «Domgärten» zwecks Ansiedlung des Ersatzneubaus vor, der sich angesichts eines dort von der Stadt fest eingeplanten Grüngürtels bauplanungsrechtlich als anspruchsvoll herausstellte.

(«Anspruchsvoll» – das ist in diesem Fall ein Euphemismus für das Wort «ausgeschlossen».) Anders als der damalige Oberbürgermeister Schramma und der Wirtschafts- und Liegenschaftsdezernent Dr. Walter-Borjans gab es in der Stadtspitze auch gewichtige Stimmen, die eine Aufgabe des Standorts des IWZ in Deutz für strukturpolitisch problematisch hielten, u. a. der Planungsdezernent Streitberger. (S. 330) Die ambivalente Haltung der Stadt Köln gegenüber den Umzugsplänen kam jedoch nicht mehr zum Tragen, da die erwartete verbindliche Entscheidung der damaligen Landesregierung für den Ersatzneubau auf den «Domgärten» ausblieb. Nach Würdigung der Ergebnisse der oben angesprochenen Gutachten zu den Kosten eines Ersatzneubaus bzw. einer Sanierung des IWZ entschied das MIWF letztlich im Sommer des Jahres 2011, dass der Umzug nicht stattfinden sollte. Ein gewichtiges Argument dabei war die Tatsache, dass die ursprünglich am Standort Deutz nicht vorhandenen städtischen Ausweichflächen – anders als im März 2008 von der Stadt Köln mitgeteilt – nun doch zur Verfügung stehen sollten. Diese boten Platz für Neubauten, die einen schrittweisen Auszug aus dem IWZ erlauben und eine Sanierung im laufenden Betrieb vermeiden sollten. Am Ende des Untersuchungszeitraums des Ausschusses war das Projekt nicht vollendet und war eine endgültige Entscheidung über die Verwendung oder Verwertung der «Domgärten»-Grundstücke nicht getroffen worden. An der Informationspolitik der Geschäftsführung gegenüber dem Verwaltungsrat über die fraglichen Geschäfte hat der Ausschuss den Inhalt der Anmeldungen – eine vorherige Zustimmung war nicht erforderlich – kritisiert. Eindringliche Nachfragen des Verwaltungsrats blieben indes auch aus, nachdem im Mai des Jahres 2009 in der Presse die Geschäfte zwischen der Bauwens-Gruppe und dem BLB erheblich kritisiert bzw. hinterfragt worden waren. (S. 331)

Im Übrigen schließt sich der Ausschuss der Kritik des Landesrechnungshofs an, dass es sich angesichts der vagen Umzugspläne für die FH Köln um einen gegen § 9 Abs. 1 BLBG verstoßenden Vorratskauf handelte. Nach dieser Vorschrift darf der BLB Grundstücke für die Zwecke des Landes nur erwerben, wenn diese Grundstücke zur Erfüllung von Landesaufgaben in absehbarer Zeit erforderlich waren. Dies war hier nicht der Fall. Wie sich aus dem Vermerk vom 15.07.2008 ergibt, war der Geschäftsführung des BLB auch bewusst, dass der Ankauf ohne konkrete Pläne für die Verwendung und insbesondere ohne die gemäß § 7 Abs. 2 LHO vorgeschrieben Wirtschaftlichkeitsuntersuchung erfolgte. Eine Ausnahme für eine vermeintlich «außergewöhnliche Möglichkeit» oder Fälle besonderer Dringlichkeit ist weder im BLBG, noch in der LHO vorgesehen. Dessen ungeachtet war die Dringlichkeit – wie gesehen – vom Sprecher der Geschäftsführung nur vorgeschoben. (S. 345 f.)

Der BLB erwarb auch die weiteren Grundstücke der Domgärten – mit Ausnahme von «Domgärten VIII» – nicht unmittelbar von den damals aktuellen Eigentümern, sondern von den Projektgesellschaften von Bauwens/Göttsch, die diese wiederum von den Eigentümern erwarben. Zur Begründung für diese Konstruktion haben alle vernommenen Zeugen angegeben, dass Herr Tiggemann darauf bedacht war, das Interesse des BLB an den Grundstücken möglichst geheim zu halten, um außerordentliche Preisvorstellungen der Verkäufer zu vermeiden (APr. 16/986, S. 58): (S. 348)

Die Entscheidung des Geschäftsführers für diese vertragliche Gestaltung wurde in den Akten des BLB nicht vorab erläutert. Offenbar schätzte er die «Gefahr überzogener Preisvorstellungen» der Voreigentümer so groß ein, dass er die erkennbar höheren Kosten eines Zwischenerwerbs nebst den Gewinnvorstellungen von Bauwens/Göttsch als das geringere Übel ansah.

Aus Sicht des Ausschusses ist die Entscheidung zunächst deshalb zu kritisieren, da durch das Einschalten eines Zwischenkäufers erhebliche Mehrkosten konkret vorhersehbar waren. Wie die vorgeschlagene Rahmenvereinbarung offenbarte, waren die Projektgesellschaften von Bauwens/Göttsch darauf aus, sich nicht nur die eigenen Aufwendungen vollständig ersetzen zu lassen, sondern auch auf die selbst gezahlten Kaufpreise pauschale Zuschläge in Rechnung zu stellen. Der BLB kalkulierte selbst ausweislich eines Schreibens des Zeugen Dr. Taube an das FM vom 03.04.2009 mit zusätzlichen Kosten zum aus dem Vorvertrag gezahlten Grundstückspreis von rund 10 Millionen Euro für die «Domgärten I.» (S. 350)

Schließlich bezweifelt der Ausschuss die Geeignetheit des gewählten Procedere für den beabsichtigten Zweck. Denn es war nicht ausgeschlossen, dass die Eigentümer gegenüber Bauwens/Göttsch ebenfalls über dem Verkehrswert liegende Preise verlangen würden, da diese als bedeutende Projektentwickler in Köln bekannt waren. Der Zeuge Streitberger sah den Plan von Herrn Tiggemann aus eben diesem Grund kritisch (APr. 16/1040, S. 23) (S. 351):

Zeuge Bernd Streitberger: «Es ging dann ja nicht nur um die beiden Brauereiflächen, sondern es wurde ja in diesem Gespräch, von dem ich eben berichtet hatte, von Herrn Tiggemann auch erwähnt, dass das Land bzw. der BLB diese Grundstücke ja nicht direkt kaufen wolle, sondern dass das über Bauwens geschehen sollte, die ja den größten Teil der Grundstücke schon hatten. Die Argumentation von Herrn Tiggemann war: Ja, wenn wir dann kommen, haben die Leute ja Dollarzeichen in den Augen. – Da weiß ich heute noch ganz genau, dass ich genau in der Sekunde gedacht habe: Ja, was sollen die denn in den Augen haben, wenn Bauwens kommt? Bauwens ist ja bekannt in Köln; da sind die Dollarzeichen nicht kleiner. […]» (S. 351)

Dem Bericht des Landtags-Untersuchungsausschusses zum BLB sind außer dem Fall der Kölner Domgärten noch ein weitere Fall enthalten. Dabei geht es um den Erweiterungsbau des Polizeipräsidiums Köln-Kalk. Hier hat vor allem die Kölner GSE Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbH unter Führung des Herrn Göttsch nach bemerkenswerten Vergabevorgängen sehr viel Geld verdient, mindestens aber 3,3 Mio an angeblich entgangenen Gewinnen. Der WDR hatte im vergangenen Juli von einer finanziellen Mehrbelastung von 55 Millionen Euro für das Land berichtet.

Außerdem beschäftigten den Ausschuss folgende Fälle:

  • Die Kosten des Duisburger Neubaus Landesarchiv NRW sind um das Vierfache auf 200 Mio Euro gestiegen.
  • Schloss Kellenberg: für die praktisch nicht nutzbare Ruine wandte der BLB 3,1 Mio Euro auf auf.
  • Das Vodafone-Hochhaus in Düsseldorf wurde für 142 Millionen Euro gekauft, ohne dass eine Nutzung vorgesehen war.
  • Das Landesbehördenhaus in Bonn ist ein offenbar unverkäufliches Objekt. Sein Wert fiel im Laufe der Jahre von 70 Mio Euro auf 10,7 Mio Euro – das war das letze Kaufangebot, das aber nicht realisiert werden konnte. Seine 60 000 qm wurden bis 2003 von der Polizei genutzt, gegenwärtig ist ein Teil des sanierten Neubaus an die Uni Bonn vermietet, der belastete Altbau steht leer.
  • Für den Neubau des LKA in Düsseldorf mussten 34 Mio, dann noch einmal 14,2 Mio Euro nachgeschossen werden, am Ende kostete es 107 Millionen Euro.

Der PUA stellte auch fest, dass der Geschäftsführer Tiggemann für den BLB risiko- und folgenreiche Entscheidungen treffen konnte, ohne diese vorab begründen zu müssen. Das geschah nachträglich. Aber just das ist so vorgesehen. Der Artikel 4.3 (AnwVOBLB) bestimmt: «Über Grundstücksankäufe, deren Wert 50.000 Euro übersteigt, sowie über Grundstücksverkäufe, deren Wert 50.000 Euro übersteigt, ist der Verwaltungsrat in der nächstfolgenden Sitzung des Verwaltungsrates zu unterrichten.»

Offenkundig ist die Ausgliederung öffentlicher Liegenschaften in eigener Rechtsform korruptionsanfällig, erleichtert die Spekulation und führt allemal zur privaten Aneignung öffentlichen Eigentums.

Wohnlandschaft.

Was ist zu fordern:

  1. Bestrafung der schuldigen Grundstücksspekulanten mit Enteignung
  2. angesichts der Kapitalflucht in Immobilien und der explodierenden Mieten sollte das Land NRW zusammen mit der Stadt Köln an der Alteburger Straße Geschosswohnungen bauen, um sie billig zu vermieten – entsprechend Artikel 29,2 der Landesverfassung: «Das Land hat die Aufgabe, nach Maßgabe der Gesetze neue Wohn- und Wirtschaftsheimstätten zu schaffen […]»
  3. Die Mieten sollen bei öffentlicher Finanzierung so günstig gestaltet werden, dass sie auf dem Wohnungsmarkt für Entspannung sorgen und private Vermieter zur Minderung ihrer Mieten veranlasst werden.
  4. Die Finanzverwaltungen des Bundes und der Länder müssen ihre Liegenschaften wieder selbst verwalten. Öffentliche Liegenschaften und Immobilien sind auch formell in öffentliche Hände zurückzugeben und dort demokratisch zu kontrollieren.

Text und Fotos: Klaus Stein, Köln, 27. März 2017