Düsseldorf
»Occupy Düsseldorf«
»Das Leben ist kein Bonihof«
In Düsseldorf wurden am vergangenen Samstag (22.10.2011) die Proteste gegen die Auswirkungen des Kapitalismus fortgesetzt: Vom DGB-Haus zogen die Demonstranten vorbei an den Zentren der westdeutschen Finanz-Oligarchie. Die Börse und die Commerzbank blieben dabei allerdings unbeachtet. Lautstarke Grüße gingen an das Zeltcamp im Windschatten des NRW-Justizministeriums und der Denkmäler für Kaiser Wilhelm I. und Reichskanzler Otto von Bismarck.
Von verschiedenen Seiten wurde der Protest, der etwas geringer als eine Woche zuvor ausgefallen war, gleichzeitig begrüßt und auch kritisch hinterfragt. Auf Zustimmung stießen die sehr zahlreichen kritischen Hinweise darauf, dass »der Kapitalismus« einerseits für Verelendung und Armut verantwortlich sei, andererseits aber dafür sorge, dass immer mehr Reichtum in den Händen weniger angehäuft werde. Kritisiert wurde, dass die Organisatoren eine Kritik, die über diese Hinweise hinausgingen, abwürgten. Begriffe wie »Sozialismus« und »Kommunismus« wurden nicht zugelassen. Diese Wörter würden mit der Silbe »mus« enden, »müssen« wolle man aber überhaupt nichts. Ebenso verwahrte man sich dagegen, dass Parteien, die ein antikapitalistisches Programm haben, sich zu erkennen geben könnten. Organisationen waren nicht zugelassen. Dies galt auch für den DGB.
Diese Einschränkung verhinderte allerdings nicht, dass Vertreter solcher Organisationen sich nicht beirren ließen und dennoch an der Demo teilnahmen. So waren Klaus Reuter (DGB-Vorsitzender Region Düsseldorf-Bergisch Land), Nihat Öztürk (Erster Bevollmächtigter der IG Metall Düsseldorf-Neuss) oder Klaus Schwieca (Verdi Bezirk Düsseldorf) dabei, ebenso Mitglieder der Linkspartei, der DKP, der Grünen.
Die DKP bedauert, dass die Düsseldorfer Börse bei den Protesten keinerlei Rolle spielte. Ein Drittel der DAX30-Unternehmen haben ihren Sitz in NRW: Düsseldorf können Eon, Henkel, Metro und ThyssenKrupp zugerechnet werden, in Köln ist es die Lufthansa, in Leverkusen Bayer und in Essen RWE. Düsseldorf hat die Tresore der Deutschen Bank, der Commerzbank, der West LB, der Deutschen Industriebank (IKB), die NRW-Bank, die WGZ Bank, HSBC Trinkaus & Burkhardt als feine Privatbank für extra-solvente Privatkunden, ebenso Bankhaus Lampe, Bank Julius Bär (Schweiz), BHF-Bank, Merck Finck & Co., Bethmann Bank, Berenberg Bank oder die Weberbank.
An der Düsseldorfer Börse sind mehr als 70 Banken und Sparkassen aktiv. Sie bietet Zahlen, die über dem Bundesdurchschnitt liegen. Der Umsatz lag 2010 bei 60 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der »Bundeshaushaltsplan für das Jahr 2011 wird in Einnahmen und Ausgaben auf 305 800 000 000 Euro feststellt«. (Quelle: Haushaltsgesetz 2011). Dieser Plan ist also nur sechsmal größer, dafür aber nicht garantiert und sozial unausgewogen. Beschlossen wurde zudem eine Kreditaufnahme von 48,4 Milliarden Euro. Keine Rolle spielte bei den Organisatoren auch die vor ihnen stehende Commerzbank, die erst 2009 die Dresdner Bank »übernommen« hatte. 9000 Stellen will der Commerz-Bank-Vorstand weltweit vernichten. Dazu im Angesicht der Bank in Düsseldorf kein Wort.
Statt dessen gab es Schilder mit einer neureligiöse Heilsbotschaft und dem Hinweis »Opa, du kannst stolz auf mich sein!« Gefordert wurde, nicht mehr rückwärts zu sehen, sondern den Blick nach vorn zu richten. Aus Sicht der DKP wurde jedenfalls für Düsseldorf überdeutlich, dass in der Occupy-Bewegung jegliche tiefgreifende Analyse der politischen und Wirtschaftsverhältnisse fehlt.
»Solidarität« mit dem gebeutelten Volk Griechenlands wurde symbolisch auf dem Graf-Adolf-Platz durch einen gemeinsam vollführten Touristen-Sirtaki zu den Klängen von Alexis Sorbas ausgedrückt. Über diese naive Geste dürften die Betroffenen in Athen und anderen Orten wohl kaum beeindruckt sein. Man wollte schließlich seinen Spaß haben. Es solle keine Beerdigungsstimmung aufkommen, forderte ein Demonstrant durch den Lautsprecher.
Noch jedenfalls fehlt es an einer Strategie zur Überwindung der politischen Defizite und damit auch an einer fundierten inhaltlichen Zielsetzung. Die zentrale Forderung nach mehr Party-Stimmung dürfte auf Dauer nicht als Klebemasse für ein politisches Einerlei ausreichen.
Foto: Bettina Ohnesorge