Düsseldorf
Flüchtlinge: Kasernierung in Hubbelrath
Die Vermarktung von Kasernen ist lukrativer als die Unterbringung von Flüchtlingen
Gibt der Internet-Nutzer den Suchbegriff »Hubbelrath« ein, erscheint an vorderer Stelle »Willkommen im Golf Club Hubbelrath Düsseldorf«. In der Tat ist Hubbelrath eine der ersten Adressen. Wer hier wohnen will, braucht ein dickes Portemonnaie. »immowelt.de« bietet dort als Einzelgrundstück »Ihre neue VIP-Adresse« an: 1.950.000 € für 2.100 m2. Das entspräche einem Quadratmeterpreis knapp mehr als 900 €. Nicht weit entfernt liegt die Bergische Kaserne.
Die Bundeswehr hatte nach vielen Verzögerungen erneut angekündigt, dass sie diese Kaserne bis zum dritten Quartal 2017 räumen werde. Geplant sind auf dem Gelände 3.000 Wohnungen. Baubeginn: 2020. Angeregt wurde »gehobene Bebauung«. Sozialer Wohnungsbau wäre in dieser Nachbarschaft wohl eine Zumutung gewesen.
Statt aber die Fläche einer lukrativen Vermarktung zuzuführen, drohte Anfang dieses Jahres plötzlich, dass zumindest in einem Teil des Areals eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge und Asylbewerber etabliert werden könnte. Es gab einen dezenten Aufschrei aus besserverdienenden Kreisen. Flüchtlinge und Asylbewerber sind kein Umfeld für eine gehobene Bebauung. Zudem drohte sich der Baubeginn zu verschieben. Zur Not bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.
Noch Anfang Februar war bei einer Ortsbegehung festgestellt worden: »Bergische Kaserne ist für die Erstaufnahme geeignet« (Westdeutsche Zeitung). Die DKP teilte diese Auffassung nicht, denn ein pauschaler Hinweis des Wehrbeauftragten ließ vermuten, dass die Gebäude in einem schlechten Zustand sind. In der Tat: Es fehlte die Versorgung mit Strom, Wasser und Heizung. Genau dieser unhaltbare Zustand war im August noch nicht behoben. Vorgesehen waren rund 600 Aufnahmeplätze.
Es gab aber offensichtlich die Chance, die Kaserne einer Nutzung als Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge zu entziehen, denn es musste geklärt, wer denn die Sanierungsarbeiten zahlen sollte:
A: Die Bundeswehr, obwohl sie die Kasernen nicht mehr benötigt
B: Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die die Kaserne abstoßen und optimal vermarkten möchte
C: das Land NRW als Träger der Ersteinrichtung
D: die Stadt Düsseldorf, falls die Kaserne nicht als Ersteinrichtung, sondern für die »normale« Unterbringung von Asylbewerbern genutzt werden sollte.
Das Gesetz über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BlmAG) definiert als Aufgabe der Behörde unter anderem das Ziel, »nicht betriebsnotwendiges Vermögen wirtschaftlich zu veräußern.« Die Rechtsaufsicht liegt bei Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.
Die Sanierung und Absicherung des 23,8 Hektar großen Geländes würde mehrere Millionen Euro kosten. Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes NRW spricht für die Sanierung von Kosten zwischen 30 und 35 Millionen Euro. Die Düsseldorfer Stadtverwaltung nannte die von der Bundeswehr genannten Kosten für die Herrichtung der Gebäude »aberwitzig«. Bereits 2012 hatte es die Bundeswehr abgelehnt, die Gebäude frühzeitig abzugeben.
Sollte aber die Zusage eingehalten werden, dass das Areal nach dem Abzug der Bundeswehr, also im Jahr 2017, der Immobilienwirtschaft zur Verfügung gestellt werde, dürfte sich der zwischenzeitliche Umbau kaum lohnen. Profitorientierte wirtschaftliche Interessen hätten damit auch an dieser Stelle Vorrang vor humanitären Zielvorstellungen – falls die Registrierung von Asylbewerbern bei der Erstaufnahme als humanitärer Akt verstanden werden sollte. Die 238.000 m2 bringen nach der aktuellen Grundstückspreisübersicht folgende Quadratmeterpreise: 524,03 €/m2 bei Grundstücken zwischen 600 und 1200 m2 oder 743,00 €/m2, wenn das Grundstück 1200 m2 und größer ist.
Diskutiert wird nun alternativ eine »Billiglösung«. 1.000 Aufnahmeplätze sollen in Zelten entstehen, die auf dem Sportplatz der Kaserne, auf einem angrenzender Parkplatz und einer landwirtschaftlichen Fläche errichtet werden können. Von den CDU- und SPD-Bundestagsabgeordneten wird die geplante Zeltstadt begrüßt. Mit dieser Lösung wird das direkte Gelände der Kasernengebäude nicht durch Asylbewerber belastet und könnte für die Vermarktung gesichert sein.
Andererseits werden die Asylbewerber in diesen Zelten Wind und Wetter ausgesetzt. Die aktuelle Temperatur dürfte in Düsseldorf bei etwa 21,4 °C liegen. Ob das für alle 1.000 »Camper« angesichts wechselnder Niederschlagsmengen angenehm ist, bleibt fraglich. Zudem werden im Winter andere Werte erwartet: Im Januar lag die monatliche Durchschnittstemperatur bei 3,7 °C. Es regnete (oder schneite) 80,4 Liter auf den Quadratmeter. Und die Sonne schien 38,5 Stunden, also etwa anderthalb Stunden pro Tag. Ironischer Kommentar bei einer Ortsbegehung: Über die Windverhältnisse können sich die Zeltbewohner, die topografisch in einer »Top-Lage« wohnen, bei den benachbarten Golfclubs Hubbelrath oder dem japanischen Kosaido Golf-Club International Düsseldorf nach den täglich neuen Vorhersagen erkundigen. Bisweilen kann es windig sein auf den Hubbelrather Höhen. Da die Innenminister händeringend nach Abschreckungsszenarien für die Asylbewerber suchen, könnten sie letztendlich noch auf das Wetter verweisen.
Die in der Nazi-Zeit gebaute Bergische Kaserne ist im Streit hinsichtlich der profitorientierten Verwertung oder der Nutzung für Asylbewerber kein Einzelfall. Ministerin Ursula von der Leyen bietet 7.290 Plätze in Kasernen und in 141 Bundeswehr-Zelten (mit Holzfußboden) an. In Bayern drohen einzelne Kommunalpolitiker in ihrer Not mit der Enteignung von bundeseigenen Gebäuden. In Brandenburg verurteilen Spitzenpolitiker von CDU und AfD umgekehrt die mögliche Nutzung der Lausitz-Kaserne.
Die Gewerkschaft IG Bauer-Agrar-Umwelt fordert den schnellen Bau neuer Flüchtlingsunterkünfte im Standard des sozialen Wohnungsbaus. Die Gerresheimer DKP schließt sich dieser Forderung an, da sie die vielfach geplante Kasernierung der Flüchtlinge wenigstens zu einem Teil aufheben könnte. In einem Brief der DKP Gerresheim wurde der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) aufgefordert, das Kasernengelände zu kaufen und für bezahlbare Wohnungen vorzuhalten.
Uwe Koopmann
Foto: Bettina Ohnesorge