Gerresheim

Goldwäscher an der Düssel

Transparent unter Patrizia Werbetafel: «31.8.2005: o-i killed die Glashütte», DKP-Fahne, Demonstranten.


Goldwäscher in Gerresheim

Die Entwicklung der bundesdeutschen Baulandpreise spiegelt sich in den dreckigen Pfützen der 200.000 Quadratmeter großen Brache auf dem Gelände der ehemaligen Gerresheimer Glashütte wider. Es gibt verschiedene Zahlen zur Bodenspekulation: 1.900 Prozent in den letzten Jahrzehnten, allein für München 39.900 Prozent seit 1962. Es lohnt sich. 80 Prozent der Neubaukosten fallen nach Angaben der Süddeutschen Zeitung auf den Kauf von Grund und Boden. Gewinne aus Immobilienverkäufen müssen nach einer Frist von zehn Jahren nicht mehr versteuert werden.


Ein neues Beispiel für Geldverdienen durch Nixtun entwickelt sich vor der eigenen Haustür: Startschuss 2005 mit dem Verkauf der abgewickelten Gerresheimer Glashütte durch den US-Konzern Owens Illinois (O-I) an den deutschen Immobilienmagnaten Patrizia. Das Geschäft hätte sich der weltmarktführende Glass Bottle Manufacturer nicht erträumen lassen. Schon vor rund 100 Jahren hatte er mit der automatischen Flaschenproduktion neue Technik nach Gerresheim exportiert und Kapital abgesaugt. Und nun eine Melange von «Schrotthaufen» und Giftmülldeponie. Die Kontenbewegungen sind nicht öffentlich. 20 bis 30 Millionen soll die Patrizia AG an Owens überwiesen haben.


Diese Millionensummen lassen darauf schließen, dass O-I, Patrizia und die Stadt Düsseldorf den Klassencharakter des Aschenputtel-Märchens kannten: Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen.


Die Stadt Düsseldorf verzichtete in der Ägide von Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) darauf, entscheidend bei O-I so zu intervenieren, dass die Arbeitsplätze angesichts der schwarzen Zahlen gesichert würden.

Umgekehrt beschimpfte Erwin die Vertreter des Betriebsrates und des Solidaritätskomitees, darunter die DKP Gerresheim, als «Rattenfänger», weil die den Protest im Düsseldorfer Rathaus nicht einstellen wollten.

Die Stadt Düsseldorf verzichtete angesichts der Wohnungsknappheit in der Landeshausstadt darauf, sich ein Vorkaufsrecht für das gesamte Areal von 300.000 Quadratmetern zu sichern.

Die Stadt Düsseldorf verzichtete auf die Entgiftung von 100.000 Quadratmetern verseuchten Bodens durch O-I oder Patrizia, sondern belastete sich selber mit der kontaminierten Fläche.

Die Stadt Düsseldorf verzichtete auf die Umsetzung der Bürgerbeteiligung («Werkstattverfahren)», die sie aufwändig angestoßen hatte.

Gewinner: O-I und Patrizia. Verlierer dieses schäbigen Geschäfts: die Bürger Düsseldorfs, die bezahlbaren Wohnraum suchen.


Der «Wert» des Grundstücks stieg weiter: 2012 auf 60 Millionen, 2017 durch den Verkauf von Patrizia an Brack Capital Properties auf 120. Und 2019 über Adler Real Estate auf 375 Millionen Euro. Gleichzeitig wurde das Gelände «verdichtet»: von 1.200 auf 1.700 Wohneinheiten. 2021 ist als Baubeginn angedacht. 375 Millionen Euro sollen sich amortisieren. Summa summarum für Boden und Bau rund 1 Milliarde Euro. Belastbare Angaben über die genauen Miethöhen liegen nicht vor. …


Investoren und Spekulanten müssen im Blick haben, dass die Bürger schon einmal über den Tisch gezogen wurden, als ihnen ein florales Wunder in Blau versprochen wurde. Es handelt sich um blaue Blüten, mit der die Landschaftsarchitektin Hannelore Kossel, Berlin, das Gelände in Anlehnung zum blauen Gerrix-G, dem Firmen-Emblems am Glasturm farblich dominieren wollte.

Siehe auch: Blüte und Untergang der Glashütte (NRZ)

Sinn für Geschichte zeigt Hannelore Kossel: Sie greift das Blau der Glashütte auf, um Teile des Bodens mit blau blühenden Pflanzen zu bedecken. Blauglockenbäume (Paulownia) sollen Erkennungszeichen in allen Alleen sein.

Siehe: Google-Suche paulownia baum

Siehe auch: Wikipedia Flora (Mythologie)


Es entsteht die Assoziation zum Blauen Wunder in Dresden, nur nicht aus Eisen und an der Elbe, sondern aus Blüten und an der Düssel. …

Die blühenden Landschaften lassen allerdings seit Jahren auf sich warten. Selbst die verrohrte Düssel, der Grenzfluss zwischen privatem und städtischem Areal hat den Underground noch nicht verlassen. Aber es ist absehbar, dass dieser Klondike River gehoben wird. Die Goldwäscher im Westen warten darauf.


Von der DKP bis in Kreise der CDU reicht die Gruppe der Kritiker, die der Stadt vorwerfen, das Heft des Handelns aus der Hand gegeben zu haben. Überdimensionierte Spekulationsgewinne vertragen sich nicht mit demokratischen und sozialen Mehrheitsentscheidungen.


Uwe Koopmann
Foto: Bettina Ohnesorge