Köln

Köln: Haus­halts­kür­zungen und Akti­vi­täten dagegen

Fis­kal­pakt und kom­mu­nale Finanzen

Demonstranten mit großem Transparent: »Jetzt schlägt's 13! Kölner Bürger schlagen Alarm…«.

 

Am Freitag, 4. Januar 2013, veranstal­tete der Deutsche Städte- und Gemeinde­bund eine Presse­kon­fe­renz in Berlin. Es sprachen der Präsi­dent dieses kom­mu­nalen Spit­zen­ver­ban­des, Ober­bür­ger­meis­ter Chris­tian Schramm aus Baut­zen, und der Haupt­ge­schäfts­füh­rer des DStGB, Dr. Gerd Lands­berg, über die aktu­elle Lage der Kom­mu­nen in Deutsch­land. (Es gibt drei kom­mu­nale Spit­zen­ver­bän­de auf Bun­des­ebene: der Deutsche Land­kreis­tag, der Deutsche Städte­tag und der Deutsche Städte- und Gemeinde­bund. Sie sind in der Bun­des­ver­eini­gung der kom­mu­nalen Spit­zen­ver­bän­de zusammen­gefasst.)

 

BILANZ 2012 und AUSBLICK 2013 der deutschen Städte und Gemein­den, so heißt der Bericht, den die beiden Herren vor­stell­ten. Die öffent­lichen Haus­halte seien mit über zwei Bil­lio­nen Euro verschul­det. Täg­lich müs­sen bei einem his­to­risch nied­rigen Zins­ni­veau etwa 170 Mil­lio­nen Euro allein an Zinsen aufge­bracht werden. Meiner Rech­nung nach sind das 62 Mil­liar­den Euro im Jahr – bei einem Gesamt­etat aller öffent­lichen Haus­halte von 1.164 Mil­liar­den Euro (2011). Die Städte und Gemein­den hatten im Jahr 2012 einen Etat von 190 Mil­liar­den Euro. Zum Vergleich: das deutsche BIP betrug 2011 2 570 Mil­liar­den Euro. Der Bun­des­haus­halt hat ein Volu­men von etwa 300 Mil­liar­den, der Kölner Stadt­haus­halt von 3,78 Mil­liar­den Euro.

 

Die kom­mu­nalen sozia­len Leis­tun­gen sind im Jahr 2012 auf 45 Mil­liar­den Euro gestie­gen. Und seit 2005 haben sich die Kas­sen­kre­di­te verdop­pelt. Kas­sen­kre­dit? Das ist für die Städte und Gemein­den, was für den Privat­mann der Dispo. Am 30. Juni 2012 war der Höchst­stand erreicht: 47,9 Mil­liar­den Euro. Damit besteht schon ein Drittel der kom­mu­nalen Ver­schul­dung aus Kas­sen­kre­di­ten. Schramm: »Der seit Jahren anhal­ten­de rasante Anstieg der Kas­sen­kre­di­te ist ein deut­li­ches Zeichen dafür, dass zwischen kom­mu­nalen Ein­nah­men auf der einen und Auf­ga­ben bzw. Aus­ga­ben auf der ande­ren Seite vieler­orts eine enorme Lücke klafft. Die Kas­sen­kre­di­te reflek­tieren die aufge­lau­fenen Defi­zite.« Fast die Hälfte der Kas­sen­kre­di­te, rund 22 Mil­liar­den Euro, wurde im Jahr 2011 allein von den Kom­mu­nen in NRW in Anspruch genom­men, das sind 1 237 Euro pro Einwoh­ner. Für Köln gilt die ver­gleichs­wei­se geringe Zahl von 330 Mil­lio­nen Euro zum 31. Dezember 2012.

 

Just die Kas­sen­kre­di­te seien aber auch emp­find­lich für Verän­de­run­gen der Zins­ent­wick­lung. Sollte sich das gegen­wär­tig güns­tige Niveau auch nur um einen Pro­zent­punkt erhö­hen, müss­ten Städte und Gemein­den allein für Zinsen 480 Mil­lio­nen Euro mehr ausgeben.

 

Zur Beru­hi­gung ihrer Gläu­bi­ge­rban­ken erklärt die Kölner Käm­me­rin, dass die Kapi­tal­markt­schul­den der Stadt Köln bei nahezu 2,7 Mil­liar­den Euro kon­stant bleiben werden. So kon­stant wie der tägli­che Schul­den­dienst von 715 000 Euro, wenn sich der Zins­satz nicht ändert.

 

Selbst­ver­ständ­lich kom­men die beiden Herren vom DStGB nicht auf die Idee, bei Spar­maß­nah­men an den Kosten für den Kapi­tal­dienst anzu­set­zen. Das sind für sie unver­än­der­bare und schick­sal­hafte Größen. Sakro­sankt. Aber sie sind alar­miert, weil die In­ves­ti­tio­nen immer stärker sinken. Diese würden seit Jahren von den sozia­len Leis­tun­gen ver­drängt. Das stört nun offen­bar das Geschäft, nament­lich von sol­chen Kon­zer­nen, die im Bau­we­sen ihr Geld verdie­nen. Der­zeit geben die Kom­mu­nen pro Jahr nur etwa 60 % dessen, was sie für soziale Leis­tun­gen auf­wen­den müssen, für In­ves­ti­tio­nen aus. Der Trend zu Lasten der In­ves­ti­tio­nen sei zwar auf­grund des Kon­junk­tur­pakets in den Jahren 2009 bis 2011 unter­bro­chen worden. Für 2012 müsse man aber davon ausge­hen, dass die Sach­in­ves­ti­tio­nen um über 10 Pro­zent auf 19,7 % ein­bre­chen würden. Sie beru­fen sich auf eine Schät­zung des Deut­schen Insti­tuts für Urba­nistik (wenn Ihr mich fragt: das ist im Zweifels­fall ein Lobby­insti­tut der Bau­kon­zerne) und sprechen von einem kom­mu­nalen Inves­ti­tions­be­darf von 704 Mil­liar­den Euro für die Jahre 2006 bis 2020 in den wich­ti­gen kom­mu­nalen Infra­struktur­bereichen.

Demonstranten mit großem Transparent: »Keine Kürzung für Kurze!«.

Dass die Lobby der Bau­kon­zer­ne indes­sen nicht ganz un­recht hat, lässt sich aktuell an den Meldun­gen über die Mül­hei­mer Brücke ablesen. Der Köl­ni­schen Rund­schau war am Sams­tag zu ent­neh­men, dass die Stadt die Not­bremse ziehe. Nach der Zoo­brücke ist auch die Mül­hei­mer Brücke seit gestern für Lkw über 30 Ton­nen gesperrt. Grund: Nach der Sper­rung der Lever­ku­se­ner Brücke für Laster ab 3,5 Tonnen sind nach Zählun­gen der Stadt erschre­ckend viele Fahrer auf die Mül­hei­mer Brücke ausge­wi­chen. All­mäh­lich gehen in Köln und Umge­bung die Brücken aus, die über den Rhein führen und noch für LKWs befahr­bar sind. Das ist sicher­lich eine der unbe­dach­ten Folgen der lang­fristi­gen Umstel­lung des Last­ver­kehrs von der Schiene auf die Straße.

 

Vier der fünf städtischen Rhein­brücken in Köln müs­sen gene­ral­sa­niert werden. Der Auf­wand ist hoch und die Kosten alles andere als über­schau­bar. Insge­samt 150 Mil­lio­nen Euro werden ver­an­schlagt, Roters hat das in seiner Haus­halts­rede am 18. De­zem­ber bestä­tigt. Für die Sanie­rung der Tun­nel und Halte­stel­len seien 60 Mil­lio­nen Euro im Finanz­pla­nungs­zeit­raum bis 2017 in den Haus­halt eingestellt.

 

Die DStGB-Funktionäre Schramm und Lands­berg bedauern, dass dem von dem Urba­nis­tik-Insti­tut errech­neten jähr­lichen Inves­titions­bedarf von 47 Mil­liar­den nur 20 Mil­liar­den Euro tat­säch­liche jähr­liche Ausga­ben gegen­über­stehen. Die KfW (Kredit­anstalt für Wieder­auf­bau) beziffere den Inves­ti­tions­rück­stand auf 100 Mil­liar­den Euro. Davon fallen für die Straßen- und Ver­kehrs­in­fra­struk­tur 24,6 Mil­liar­den Euro, auf Schulen und Kinder­gär­ten 26,9 Mil­liar­den Euro. öffent­liche Verwal­tungs­ge­bäu­de 9,2 Mil­liar­den Diese Liste ist offen­kun­dig der Wunsch­zet­tel der Bauindustrie.

 

Vor dem Hinter­grund des Inves­ti­tions­staus sieht der Deutsche Städte- und Gemeinde­bund keinen Spiel­raum für Steuer­sen­kun­gen. Die Herren legen Wert auf eine Reform der Grund­steuer, warnen davor, sie abzu­schaf­fen. Damit würden 10 Mil­liar­den Euro ausfallen.

 

Wegen der immen­sen und wachsen­den Belas­tung durch Sozial­aus­ga­ben pro­pa­gie­ren sie eine Agenda 2020. Sie rechnen im Gegen­zug zu ihrer Zustim­mung zum Fis­kal­pakt (24. Juni) mit dem Aus­gleich bei Ein­glie­de­rungs­hil­fen für Behin­derte. Für diese Zwecke seien die Brut­to­aus­ga­ben von 9,2 Mil­liar­den Euro im Jahre 2000 auf 14,4 Mil­liar­den Euro im Jahre 2011 gestie­gen. Die eben­falls im Zuge der Verein­ba­run­gen zum Fis­kal­pakt verspro­chene Über­nahme der Kosten für die Grund­siche­rung ab 2014 wird von ihnen begrüßt. Es gelte auch, die Ein­glie­de­rungs­hilfe aus dem SGB XII heraus­zu­lö­sen. Über­dies wird von ihnen eine Reform der Pfle­ge­ver­si­che­rung gefor­dert, deren Kosten konti­nuier­lich gestie­gen seien (von 2,9 Mil­liar­den im Jahre 2002 auf 3,6 Mil­liar­den in 2011).

 

Der DStGB fordert für die Lang­zeit­arbeits­lo­sen die Bereit­stel­lung von Ein­glie­de­rungs­mit­teln. Die sind dras­tisch gesenkt worden (2010 waren es noch 6,6 Mil­liar­den, 2012 4,4 Mil­liar­den, 2013 sollen sie sich auf 3,9 Mil­liar­den beschränken). Die Ein­schrän­kun­gen müssten rück­gän­gig gemacht werden. Aber der DStGB fordert auch »eine offene Diskus­sion über einen sozia­len Arbeits­markt für die Leis­tungs­be­zie­her, die auch dauer­haft nicht in den ersten Arbeits­markt vermit­tel­bar sind.« Auf deutsch: Ausbau von öffent­lich subven­tio­nier­ten Arbeits­plätzen. Der Städte- und Gemeinde­bund fordert zudem unter dem Stich­wort »Ent­schla­ckung des Hartz-IV-Systems« die Auswei­tung der Schi­ka­nen für die Betrof­fenen. Der Regel­satz dürfe nicht erhöht werden. »Nach Anga­ben der Bun­des­agen­tur für Arbeit hätte eine Erhö­hung des Regel­sat­zes um 50 Euro eine Aus­wei­tung des anspruchs­be­rech­tig­ten Perso­nen­krei­ses um 460.000 Haus­halte oder eine Mil­lion Leis­tungs­emp­fän­gern zur Folge. Allein die Kosten der Unter­kunft und Hei­zung würden um rund 2 Mil­liar­den Euro steigen. Darü­ber hinaus gibt es nega­tive Aus­wir­kun­gen auf das Lohn­ab­stands­gebot.« An dieser Stelle fordert der DStGB etwas geheim­nis­voll eine »sach­liche Diskus­sion über die Ein­füh­rung von Mindest­löhnen«.

 

Die Misere der Kom­mu­nen ver­an­lasst den DStGB nicht zu einer kriti­schen Hal­tung an der neo­libe­ra­len Poli­tik, die zu Lasten der Städte und Gemein­den geht. Im Gegen­teil. Die Ein­nah­men und Ansprü­che der Banken bleiben sakro­sankt, die sozia­len Kosten werden in Kon­kur­renz zu so­genann­ten In­ves­ti­tio­nen gesetzt. Auch der Deutsche Städte­tag hat keine ande­ren Vorstel­lungen für die Finan­zie­rung der Kom­mu­nen. Beschluss vom 14. No­vem­ber vergan­ge­nen Jahres unter der Über­schrift »Zukunft der kom­mu­nal­fi­nan­zie­rung«: »Der Haupt­aus­schuss des Deutschen Städte­ta­ges stellt fest, dass deutsche Kom­mu­nen sol­ven­te Schuld­ner mit höchs­ter Boni­tät sind. Er geht davon aus, dass der Kom­mu­nal­kre­dit auch in Zukunft als Haupt­ins­tru­ment zur Finan­zierung kom­mu­naler Auf­ga­ben zur Verfü­gung steht.«

 

Auch für OB Roters sind die Banken und ihre Ansprü­che kein Thema, statt­des­sen spricht er über die Kon­kur­renz von sozia­len Kosten und In­ves­ti­tio­nen. Er bedauert in seiner Haus­halts­rede am 18. De­zem­ber, dass die Kosten für soziale Auf­wen­dun­gen dyna­misch anstei­gen. Dem­gegen­über gehen die In­ves­ti­tio­nen dra­ma­tisch zurück. Der Anteil der In­ves­ti­tio­nen habe vor drei Jahr­zehn­ten noch bei etwa einem Drit­tel des Haus­halts­vo­lu­mens gele­gen, heute betrage er gerade einmal ein Zehntel.

 

Er kritisiert, dass der Stadt Köln von Bund und Land immer neue Lasten aufge­bür­det würden, statt­dessen schlägt er vor, dass der Bund die Kosten für fol­gende Maß­nah­men übernimmt:

  1. Die Grundsicherung im Alter. Sie darf nicht durch das Auslau­fen des Bil­dungs- und Teilhabe­pakets konter­ka­riert werden. (der DStGB hatte in seiner Bilanz gewür­digt, dass die Maß­nah­men allmäh­lich ange­nom­men werden.)

  2. Die Eingliederungs­hilfe für Menschen mit Behinderung

  3. Die steigen­den Energie­kosten bei den Kosten zur Unterkunft

  4. Zusätzliche Lasten bei U 3-Betreuung und Inklusion

  5. Anteile an Moder­nisie­rung und Sanie­rung unserer Infra­struk­tur, insbe­sondere der Brücken, Wege und Tunnel

 

Zudem fordert OB Roters die Umwand­lung des Soli­dari­täts­bei­trags Ost (Kosten jähr­lich 70 Mil­lio­nen Euro) in einen Infra­struk­tur-Soli für ganz Deutsch­land.

 

Immer­hin brachte die Käm­merin Gabriele C. Klug ihr Postu­lat nach »grund­legen­der, radika­ler Ände­run­gen in der Hal­tung zur Finan­zie­rung öffent­licher Aufga­ben« in den Zusam­men­hang mit der Krise.

 

»Krise – Euro­krise – Haus­halts­krise – Kon­zen­tra­tion auf das Wesent­liche – manche reden von ›neuer Bescheidenheit‹« – so lautete der Anfang ihrer Rede. »Es ist Krise – da geht nichts mehr, meinen manche. Falsch. Es geht noch eine Menge. Aber es geht nicht mehr alles, nicht mehr alles sofort und es muss geteilt und einge­teilt werden.« Heißt es an ande­rer Stelle.

Das ist es aber auch schon.

 

Die Käm­merin Gabriele C. Kluge von den Grünen beschreibt die Krise nicht, sie nennt ihre Ursachen nicht, geschwei­ge denn, dass sie unser Wirt­schafts­sys­tem ändern will.

 

Es ist aber offensichtlich:

Nicht nur Köln muss sparen. Alle ande­ren Städte und Gemein­den ebenfalls. Über­haupt alle öffent­lichen Haus­halte. Seit dem 1. August 2009 regeln die neu­for­mu­lier­ten Arti­kel 109, 115 und 143 d des Grund­ge­set­zes so­ge­nann­te Schul­den­brem­sen. »Bund und Länder erfüllen gemein­sam die Ver­pflich­tun­gen der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land aus Rechts­ak­ten der Euro­pä­ischen Gemein­schaft auf Grund des Arti­kels 104 des Ver­trags zur Grün­dung der Euro­pä­ischen Gemein­schaft zur Ein­hal­tung der Haus­halts­dis­ziplin« (Arti­kel 109); »Ein­nah­men und Ausga­ben sind grund­sätz­lich ohne Ein­nah­men aus Kre­di­ten auszu­glei­chen. Diesem Grund­satz ist entspro­chen, wenn die Ein­nah­men aus Kre­di­ten 0,35 vom Hun­dert im Ver­hält­nis zum no­mi­na­len Brut­to­in­lands­pro­dukt nicht über­schrei­ten.« (Arti­kel 115). Arti­kel 143 d bestimmt die Fristen.

 

Eigentlich gilt schon seit Maastricht 1992 die Schul­den­gren­ze von 60 % des BIP für die öffent­lichen Haus­halte. Der seiner­zei­tige Stabi­li­täts- und Wachs­tums­pakt ist aber offen­kundig nicht einge­hal­ten worden. Mitt­ler­weile liegen die öffent­lichen Schul­den in den Euro­pä­ischen Ländern durch­schnitt­lich weit über 80 %. Das führte aber nicht zu einer Ände­rung der Politik, allen­falls wurden neue Verein­ba­run­gen getroffen.

 

Der Stabilitäts- und Wachstums­pakt beruht recht­lich auf Arti­kel 126 des AEU-Vertrags (Vertrag über die Arbeits­weise der Euro­pä­ischen Union) und ist damit Teil des so­ge­nann­ten Lissa­bon­vertrags von 27 Län­dern der EU, der im Dezem­ber 2007 in Lissa­bon beschlos­sen, seit Januar 2009 in Kraft ist.

 

Der sogenannte Fis­kal­pakt ist am 2. März vergan­ge­nen Jah­res verein­bart, als Gesetz am 29. Juni ver­ab­schie­det worden und schließ­lich mit der Unter­schrift des Bun­des­prä­si­den­ten nach der zöger­lichen Abseg­nung durch das Bundes­ver­fas­sungs­gericht im Sep­tem­ber in Kraft getre­ten. Er orga­ni­siert Schul­den­brem­sen bei allen öffent­lichen Haus­halten in Europa, ist in Wahr­heit ein Kür­zungs­pro­gramm. Die Vertrags­par­teien des Fis­kal­pakt verpflich­ten sich zu einem ausge­gli­che­nen Haus­halt. Bei einem Schulden­stand von über 60 Pro­zent des Brut­to­in­lands­pro­dukts müssen Schul­den, die diesen Wert über­stei­gen, pro Jahr um ein Zwan­zigstel ver­rin­gert werden. Es wird ein Kor­rek­tur­me­cha­nis­mus vorge­sehen, der bei Säum­nissen auto­ma­tisch ausge­löst wird. Mitglied­staaten, die sich in einem Defi­zit­ver­fah­ren befinden, müssen ein verbind­liches Haus­halts- und Wirt­schafts­part­ner­schafts­pro­gramm vorle­gen, das die einzel­nen Maß­nah­men beschreibt, mit denen Defi­zit und Schul­den­stand gesenkt werden sollen. Der Rat der EU und die Euro­pä­ische Kom­mis­sion geneh­mi­gen das Pro­gramm und über­wachen seine Umset­zung. Und die Gewähr­leis­tung derar­tiger Kür­zungs­pro­gram­me ist die Voraus­set­zung dafür, dass Gelder aus dem ESM fließen. Denn ESM-Mittel erhalten aus­schließ­lich Länder, die den Fiskal­vertrag bis März 2013 rati­fi­ziert und die Schul­den­brem­se ein Jahr nach Inkraft­tre­ten des Fiskal­ver­trags in ihr jewei­liges Rechts­system veran­kert haben. Soweit wird klar, dass wir es mit einem Kür­zungs­pro­gramm zu tun haben, das alle öffent­lichen Haus­halte betrifft.

 

Der Deutsche Städte­tag beschreibt diesen Zusam­men­hang wie folgt: »Der Fis­kal­pakt ist das zentrale Euro­pä­ische Regel­werk zur Vermei­dung zukünf­tiger Krisen. Er ergänzt somit den Euro­pä­ischen Stabi­li­täts­me­cha­nis­mus (ESM), der die aktuelle Krise bekämp­fen soll. Der Fis­kal­pakt verlangt die Ein­hal­tung eines struk­tu­rel­len Defi­zits der öffent­lichen Haus­halte (Bund, Länder, Gemein­den und So­zial­ver­si­che­run­gen) in Höhe von 0,5 Pro­zent des Brut­to­in­lands­pro­duktes. Zudem fordert er einen Kor­rek­tur­me­cha­nis­mus (sog. ›Prä­ven­ti­ver Arm‹), der sicher­stellt, dass die maxi­ma­len Defi­zit­quo­ten auch tat­säch­lich ein­ge­hal­ten werden. Durch die inner­staat­li­che Umset­zung des Paktes dürf­ten sich bis zum Jahr 2020 keine grund­le­gen­den Verän­de­run­gen für die Kom­mu­nen ergeben. Wie bisher ist keine län­der­in­di­vi­du­el­le Zu­rech­nung der kom­mu­nalen Defi­zi­te geplant. Den einzel­nen Län­dern wird also weiter­hin nicht die Verpflich­tung auf­er­legt, dafür Sorge zu tragen, dass die Summe ihres jewei­li­gen Defi­zits und der Defi­zite der Kom­mu­nen im jewei­li­gen Land zusam­men einen bestimm­ten Schwel­len­wert unter­schrei­tet. Defi­zit­gren­zen gelten, wenn über­haupt, nur für das ein­zel­ne Land ohne Berück­sich­ti­gung der Kom­mu­nen. Wie schon bei der Dis­kus­sion um die Schul­den­brem­se deut­lich wird, ent­steht auf diesem Weg ein Anreiz für Länder, ihre Defi­zite auf die kom­mu­nale Ebene zu verla­gern und damit den Kon­so­li­die­rungs­zwang auf die Kom­mu­nen ab­zu­wäl­zen.« (»Schlag­lichter aus dem Gemeinde­finanz­bericht 2012 des Deutschen Städte­tages«, Deutscher Städte­tag, Sep­tember 2012)

 

Aber woher kommen die Schulden?

Der Kapitalismus leidet gesetz­mäßig unter einem un­auf­heb­ba­ren Wider­spruch. Einer­seits mini­mie­ren die Unter­neh­mer unter Kon­kur­renz­druck und bei Strafe ihres Unter­gangs die Lohn­kos­ten. Ande­rer­seits redu­zie­ren sie damit die Mas­sen­nach­frage nach Gütern. Henry Ford hat den Zu­sam­men­hang erfasst, als er sagte: »Autos kaufen keine Autos.« Der Wider­spruch von hohem Pro­duk­tions­po­ten­tial und nied­riger kauf­kräf­tiger Nach­frage wird im Kon­kur­renz­ka­pi­ta­lis­mus des 19. Jahr­hun­derts noch mit­tels zyk­li­scher Krisen aufge­hoben. In den Krisen werden veral­tete Pro­duk­tions­ka­pa­zi­tä­ten vernich­tet, neue setzen sich durch. Auf einer neuen Stufe der Pro­duk­ti­vi­tät werden Arbeits­plät­ze geschaf­fen und es wird wieder konsumiert.

 

Mittler­weile klaffen aber Ent­wick­lung der Mas­sen­ein­kom­men auf der einen Seite und das Wachs­tum der Pro­duk­ti­vi­tät weit aus­ein­ander. Vor allem wird die reini­gende Funk­tion der Krise behin­dert, weil spon­tane Krisen­wir­kun­gen das ganze System in Frage zu stellen drohen. Banken werden vor der Pleite bewahrt, wenn sie mit dem Prädi­kat »sys­tem­re­le­vant« verse­hen sind. Für ihre faulen Kre­dite kom­men die öf­fent­lichen Haus­hal­te auf. Die über­neh­men die Schul­den, gera­ten an Stelle der Ban­ken in die Schuldenfallen.

 

»Wodurch überwindet die Bour­geoi­sie die Krisen? Dadurch, dass sie all­sei­ti­ge­re und gewal­tige­re Krisen vor­berei­tet und die Mittel, den Krisen vorzu­beugen, vermindert.« (Kom­munis­ti­sches Manifest)

 

Die EU ist zu einem Inkas­so­büro für Banken und Reiche verkom­men. Die EU-Staaten sind heute mit 11,5 Bil­lio­nen Euro verschul­det. Pro Jahr müs­sen 2 Bil­lio­nen Euro neu an Schul­den auf­ge­nom­men werden, um die alten Schul­den zu bedie­nen. Das ent­spricht vier Fünf­tel des deutschen Sozial­pro­dukts. Darauf zielt die jetzi­ge Austeri­täts-Politik der all­ge­mei­nen Kür­zung für die Bevöl­ke­rung ab. Obers­tes Ziel ist das Weg­kür­zen von sozia­len Leis­tun­gen und Mas­sen­ein­kom­men, um die Gläubi­ger zu befrie­digen. Eine riesi­ge Um­ver­tei­lung von Arm zu Reich. Damit haben wir es also auch in Köln zu tun.

 

Die Reichen haben seit 2000 ihren Reich­tum um 50 % erhö­hen können, wäh­rend die Mas­sen­ein­kom­men stag­nier­ten, real sogar absan­ken. Das priva­te Geld­ver­mö­gen über­trifft die Staats­verschul­dung in Deutsch­land um das zwei­ein­halb­fache. Aber seit 1997 ruht in Deutsch­land die Ver­mö­gen­steuer. Die Kör­per­schafts­steuer wurde von 45 % auf 15 % gesenkt. Immer noch wird von der Finanz­trans­aktions­steuer nur geredet. Hier muss man anset­zen, nicht an den Sekto­ren Bildung, Gesund­heit und Soziales. Das aber ist Pro­gramm des Kölner Rathauses.

 

Drohend malt die Käm­me­rin Verschul­dungs­klüfte an die Wand. Wenn sich nichts ändere, werde die Finan­zie­rungs­lücke größer und infol­ge­des­sen die Verschul­dung bis 2030 von jetzt 6,5 % des BIP auf über 25 % steigen. Folg­lich soll der Fehl­betrag jähr­lich bis 2017 redu­ziert werden. Damit würden zwar die Rück­lagen von gegen­wär­tig 5,56 Mil­liar­den Euro auf dann 4,57 Mil­liar­den Euro gemin­dert, aber der Spar­kom­mis­sar vermieden. 2013 soll das Defi­zit 317 Mil­lio­nen Euro betra­gen bei einem Gesamt­vo­lu­men des Haus­halts von 3,78 Mil­liar­den Euro. 2014 ist ein Defi­zit von 233 Mil­lio­nen vorgesehen. Mit schein­ba­rer Zwangs­läu­fig­keit folgen Kür­zungs­vor­schlä­ge, die es in sich haben.

 

Bei einigen dieser Maß­nah­men ist der Klas­sen­cha­rak­ter kaum zu verheh­len. Die Käm­me­rin will 160 000 Euro bei der Ein­schu­lungs­hilfe einspa­ren. Diese Ein­schu­lungs­hilfe wurde erst­ma­lig 2009 gewährt, zufäl­lig im Jahr vor der Kom­mu­nal­wahl. Kinder von Köln-Pass-Inha­be­rin­nen und -Inha­bern konn­ten bei der Ein­schu­lung einen ein­ma­li­gen Zu­schuss von bis zu 160 Euro für die An­schaf­fung von Schul­ma­te­ria­lien bekom­men. Diese Summe kommt den tat­säch­li­chen Kosten für eine Erst­aus­stat­tung nahe.

 

Diese Einschulungshilfe ist schon im nächsten Jahr gekürzt worden. Auf 100 Euro. Jetzt soll sie ganz ver­schwin­den. Was bedeutet das für die Kinder und deren Eltern? Sollen sie ihre Schul­ma­te­ria­lien wieder verkaufen? Oder die Kosten abhungern?

Demonstranten mit großem Transparent: »Keine Kürzung für Kurze!«.

Oder erwägen SPD und Grüne als Knüller im Kom­mu­nal­wahl­kampf im nächs­ten Jahr, den i-Dötzen groß­zü­gig Schul­ran­zen zu spendieren?

 

Die Köln-Pass-Kinder sollen aber auch mittags hungern. Die Stadt will das Mittag­essen nicht mehr bezahlen, sie geht davon aus, dass sie ihren Anspruch aus dem Bil­dungs- und Teil­habe­paket von Frau von der Leyen geltend machen. Die Anträge dazu sind wegen ihrer Kom­pli­ziert­heit berüch­tigt. Diese Hürde zu nehmen, sind die Fami­lien dieser Kinder in der Regel nicht in der Lage. Ein­spar­vo­lumen: 700.000 Euro pro Jahr.

 

Der Verzicht auf die Maß­nah­me »Mittags­pause Plus«, also auf die Über­mit­tags­be­treu­ung durch Fach­kräfte sowie die Redu­zie­rung des Stan­dards bei der Über­mit­tags­betreu­ung Sekun­dar­stufe I soll eine Mil­lion Euro in 2013 erbrin­gen, ab 2014 etwa 1,3 Mil­lio­nen Euro. Die Begrün­dung: es wird unter­stellt, dass die stei­gen­de Ver­sor­gungs­quote im gebun­denen Ganz­tags­be­reich den Bedarf mindert.

 

Seit Juni 2012 zahlt die Stadt einen Anteil der Kosten des Offe­nen Ganz­tags. Er beträgt etwa 16 Mil­lio­nen Euro. Diese Kosten sollen um 5 % gekürzt werden, die Maß­nah­men werden ent­spre­chend aus­ge­dünnt. Ein­spar­vo­lu­men: 400.000 Euro in 2013 und etwa 800.000 Euro pro Jahr ab 2014.

 

Unter der Rubrik Hilfe zur Erziehung verzich­tet die Stadt künf­tig auf Heim­unter­brin­gung und bean­sprucht verstärkt Pflege­fami­lien. Einspar­vo­lu­men: 658.000 Euro in 2013, 1,3 Mil­lio­nen Euro in 2014.

 

Davon unabhängig sollen in der Kinder- und Jugend­arbeit weitere 100.000 Euro in 2013 und bis zu 160.000 Euro in den Folge­jah­ren ein­ge­spart werden.

 

Der Stadtverband der Lehrer­gewerk­schaft GEW lehnt die vor­gese­he­nen Kür­zun­gen im städti­schen Haus­halt entschie­den ab. Die GEW stellt fest: »Allein 40 % der geplan­ten Ein­spa­run­gen sollen durch das Dezer­nat ›Bildung und Jugend‹ aufge­bracht werden. Die Ein­spa­run­gen von 14,3 Mil­lio­nen Euro für den Dop­pelhaus­halt 2013/14 sollen sich bis 2016 auf 35,65 Mil­lio­nen Euro ver­fünf­fachen. Das bedeutet, dass die geplan­ten Ein­spa­run­gen von 2013 u.a. in der Kinder- und Jugend­arbeit, Senio­ren­arbeit, Redu­zie­rung der Aus­ga­ben für die offene Ganz­tags­schule und die Über­mit­tags­be­treu­ung in der Sekun­dar­stu­fe 1 erst der Anfang sein werden für ein erheb­lich gestei­gertes Ein­spar­pa­ket bis 2016.«

 

Auch die Stadt­schul­pfleg­schaft hat sich gemeldet: Der Himmel über Köln, insbe­son­dere über der Schul­land­schaft unse­rer Stadt, werde sich ab dem Haus­halts­jahr 2013 empfind­lich verdun­keln, wenn die beab­sich­tig­ten radika­len Spar­maß­nah­men im Bereich Bil­dung und Soziales tat­säch­lich durch­gesetzt und –geführt werden soll­ten. Die Pfleg­schaft protes­tiert insbe­son­dere gegen den Weg­fall der Ein­schu­lungs­bei­hilfe für Kinder aus einkom­mens­schwachen Fami­lien, gegen den Ver­zicht auf die »Mit­tags­pau­se Plus«, gegen die Redu­zie­rung des OGS-An­teils der Stadt und der Stan­dards bei der Übermittagsbetreuung

 

Die Spar­maß­nah­men richten sich aber nicht nur gegen die armen Kinder. Ihre Eltern werden eben­falls nicht geschont. Die Stadt will bei den Kosten der Unter­kunft für SGB II-Leis­tungs­emp­fänger zwei Mil­lio­nen Euro sparen. Das ergebe sich aus verän­der­ten Rah­men­be­din­gun­gen. Die Kon­junk­tur­er­war­tung habe sich verbes­sert, infol­ge­des­sen sei eine schnelle Vermitt­lung in den Arbeits­markt zu erwarten.

 

Die Bürgerhäuser und Bürgerzentren sollen 1,1 Mil­lio­nen Euro ein­spa­ren. Jähr­lich. Die Stadt sagt: »Folge könnte sein, dass die Viel­falt der Ange­bote in den Bürger­häu­sern einge­schränkt werden muss und man sich dort auf bestimm­te Ziel­grup­pen konzentriert.«

 

Auf das Geld sind die Bürger­häuser und Bürger­zentren aber ange­wiesen, allein schon, um Geld aus ande­ren Quel­len bean­tra­gen zu kön­nen – von Stif­tun­gen, aus Lan­des­mit­teln und von priva­ten Spen­dern. Ohne die städti­sche Basis­finan­zie­rung fehlen diese Gelder. Das ist ver­hee­rend! Drei Ein­rich­tun­gen erschei­nen beson­ders gefähr­det: Das Quäker-Nach­bar­schafts­heim, das Bür­ger­schafts­haus Bock­le­münd und das stadt­eige­ne Stoll­werck-Bür­ger­zen­trum. Hier könn­ten insge­samt 1,44 Mil­lio­nen Euro ein­ge­spart werden. Das Bür­ger­zen­trum Stoll­werck ist der Stadt beson­ders teuer – liegt es doch ganz nah am Schicki­micki-Rhein­au­hafen. Zu vermu­ten ist, dass hier die Begehr­lich­keit von Inves­toren eine Rolle spielt, die ange­sichts der gegen­wär­ti­gen Krise verzwei­felt nach rentier­lichen Anlage- und Park­mög­lich­keiten für ihr Kapital suchen.

 

Der Beschluss des Stadtrats über das »Rah­men­kon­zept der Köl­ner Bürger­häu­ser und Bürger­zentren« ist noch keine fünf Jahre alt. Am 24. April 2008 war es mit großer Mehr­heit be­schlos­sen worden, näm­lich mit den Stim­men von CDU, FDP, SPD und Grünen, den­sel­ben Frak­tio­nen, die heute das Effi­zienz­team für Kür­zun­gen bilden. Das Rah­men­kon­zept formulierte:

 

»Die Schere der Einkommens­verteilung klafft immer weiter ausein­ander, so dass niedrig­schwel­lige Ange­bote für Frei­zeit und Kultur eine immer größere Bedeu­tung gerade für die Menschen erhalten, die mit wenig Ein­kom­men aus­kom­men müssen. Der Kul­tur­ar­beit der Bür­ger­häu­ser und Bür­ger­zent­ren ist damit eine wichti­ge kultur- und stadt­poli­ti­sche Auf­gabe zuge­fallen, denn sie schafft Zu­gangs­mög­lich­kei­ten für alle Be­völ­ke­rungs­tei­le und fördert Integration.«

 

»Bürgerhäuser und Bürger­zentren sind für die Stadt Köln kom­mu­nal geför­derte Insti­tu­tio­nen des vor­sor­gen­den So­zial­staats. Gute und vor­sor­gen­de Sozial­poli­tik wird vor allem in der Kom­mu­ne und ihren Stadt­vier­teln mit Leben erfüllt.«

 

Offenbar erscheint mittler­weile »gute und vor­sor­gen­de Sozial­poli­tik« über­flüs­sig. Warum? Weil es den Leuten besser geht? Oder weil vermutet wird, dass sie nicht imstande sind, ihre Ansprü­che einzu­fordern? Hanne­lore Kraft, die Minis­ter­prä­si­den­tin von NRW, hatte in ihrer Regie­rungs­er­klä­rung vom 12. Sep­tem­ber häufig vom inne­ren Zusam­men­halt der Gesell­schaft gespro­chen, vom sozia­len Kitt – was aber bedeuten diese Flos­keln? Früher sprach die Sozial­de­mo­kra­tie vom sozia­len Frieden, den es zu wah­ren gelte. Vor­dring­lich war dabei die Sorge, die Arbei­ter­klas­se könne ihre Ketten spüren und begin­nen, sich zu wehren. Ganz offen­kun­dig wird ihr das gegen­über diesem städti­schen Spar­haus­halt nicht mehr zugetraut.

 

  • Weitere Kürzungen gibt es bei der Förde­rung von freien Trägern der Wohl­fahrts­pflege: Einspar­vo­lu­men: 1,2 Mil­lio­nen Euro.
  • Die psycho­soziale Beratung von Erwerbs­losen soll um 1,3 Mil­lio­nen Euro gekürzt werden.
  • Redu­zie­rung bei der Inter­kul­tu­rel­len Arbeit: Einspar­volu­men: 855.000 Euro. Redu­zie­rung der Förde­rung der Senioren­arbeit. Einspar­volumen: 490.000 Euro.
  • Reduzie­rung der Reini­gungs­standards und des Winter­dienstes: 1,5 Mil­lio­nen Euro.

 

Gestritten wird noch um 7 Mil­lio­nen Euro, die es jähr­lich kosten würde, die Nord-Süd-Stadt­bahn zwischen Severin­straße und Roden­kirchen schon Ende 2015 fahren zu lassen. Die Grünen sind dafür, die SPD ist dagegen, sie will wegen der Kosten die Bahn frühes­tens ab 2019 in Gang setzen. Nach­dem jetzt erst einmal eine Mil­li­ar­de Euro für den Bau der Nord-Süd-Bahn samt Tiefer­le­gung des Stadt­archivs in die Kassen der Bau­kon­zerne geflos­sen sind, ist die Inbe­trieb­nah­me, wie es scheint, nicht mehr so dringlich.

 

Parkautomaten bringen der Stadt 15 Mil­lio­nen Euro im Jahr. Sie werden gerade um­ge­rüs­tet. Die Park­ge­büh­ren steigen um 50 Pro­zent. Eine Stunde Parken kostet 3 Euro statt 2 Euro. Allein an Knöll­chen will die Stadt 3,5 Mil­lio­nen mehr ein­neh­men. Ab 2015 soll das An­woh­ner­parken ausge­baut werden. Das bedeutet: zusätz­liche Flächen werden mit Park­uhren bewirt­schaftet, Anwoh­ner zahlen eine Pau­schale. Jähr­liche Ein­nah­men: 370 000 Euro.

 

Von der Strei­chung des Köln­tages in den Museen (erster Don­ners­tag im Monat freier Ein­tritt für Köl­ne­rin­nen und Kölner) und Rück­nahme des gene­rel­len freien Ein­tritts für Perso­nen unter 18 Jah­ren erhofft sich die Stadt jähr­liche Mehr­ein­nah­men von 364 000 Euro.

 

Und so weiter… Insgesamt sollen 102 Mil­lio­nen eingespart werden.

 

Das alles, wenn man der Kämmerin glauben darf, um die kom­mu­nale Hand­lungs­auto­no­mie zu vertei­di­gen. Sie behaup­tet sogar, es ginge darum, Kom­mu­nal­auto­no­mie mit Leben zu erfüllen.

 

Merkwürdig mutet es angesichts der Spar­vorschlä­ge an, wenn im Bereich der städti­schen Infra­struk­tur das Haupt­augen­merk weiter­hin auf der Unter­hal­tung der Straßen, Wege und Plätze liegt. 2013 werden dafür 176 Mil­lio­nen Euro aufge­wandt, 168 Mil­lio­nen Euro im nächsten Jahr.

 

Allerdings sollen die Kosten für die reine Straßen­unter­hal­tung redu­ziert werden, wahr­schein­lich um die Repa­ra­tur­be­dürf­tig­keit zum Nach­teil der ein­schlä­gig inter­es­sier­ten Unter­neh­mer nicht ins Boden­lose sinken zu lassen. Ein­spar­volu­men: 810.000 Euro pro Jahr.

 

Wer benutzt die Straßen? Es sind vor allem Autos, an deren Herstel­lung und Verkauf unter anderem Ford verdient. Die Firma hat sich aber im vergan­ge­nen Jahr 116 Mil­lio­nen Gewerbe­steuer von der Stadt zurück­zah­len lassen, sogar zu­sätz­lich mit Zinsen, die allein 20 Mil­lio­nen Euro betra­gen. Über­haupt sind die Ein­nah­men aus der Ge­werbe­steuer weg­ge­bro­chen. Es waren 171 Mil­lio­nen Euro weni­ger als erwartet.

 

Die Kämmerin behauptet ungerührt, es ginge ihr darum, die Bürger­gesell­schaft zu stär­ken, den Rah­men für bür­ger­schaft­li­ches Enga­ge­ment, für Dialog und Diskurs weiter zu entwickeln.

 

Pustekuchen! Beim Bürgerhaus­halt dürfen wir Vor­schlä­ge für Kür­zun­gen machen. Das ist der angeb­liche Dialog!

 

Denn auch bei der Käm­merin heißt es. TINA (There Is No Alternative) – wörtlich sagt sie: »Zu dem einge­schla­ge­nen Weg aber gibt es keine Alter­native.« Schon im Sep­tem­ber konnte man in der Rund­schau lesen, dass SPD, CDU, Grüne und FDP gemein­sam die Verant­wor­tung für die not­wen­di­gen Spar­maß­nah­men im städti­schen Haus­halt tragen und zwecks Bera­tung von fälli­gen Kür­zun­gen ein »Effi­zienz­team« dieser vier Frak­tio­nen bilden wollen. Es fällt auf, dass hier dieselbe Par­teien­koa­li­tion wirken soll, die am 29. Juni im Bun­des­tag mittels Fis­kal­pakt die Europa­weite Schul­den­brem­se und mit­tels Euro­pä­ischem Stabi­li­täts­me­cha­nis­mus (ESM) Rettungs­schirme für Banken beschlos­sen hat.

 

Die Rundschau kommentierte: »Im Klartext heißt das: Ohne unpo­pu­lä­re Ent­schei­dun­gen und schmerz­hafte Ein­schnit­te geht es nicht. Und die setzt man mit breiter poli­ti­scher Mehr­heit sicher leich­ter durch.« Wer ist denn hier die breite poli­ti­sche Mehr­heit? Diese Bande von Umver­tei­lern im Stadt­rat oder die Mehr­heit der Kölner, denen die Daseins­vor­sor­ge rui­niert wird?

Protestdemo gegen Kürzungen. Transparente, zum Beispiel: »Keine weiteren Kürzungen im Sozialhaushalt!«, »Sozialstaat statt Sozialabbau«.

Nun, es rührt sich Widerstand. Schon im No­vem­ber hatten sich die Wohl­fahrts­ver­bän­de gemel­det. Dann waren es die be­droh­ten Bür­ger­häu­ser und Bür­ger­zent­ren. Am 18. De­zem­ber fanden sich vor dem Rat­haus anläss­lich der Etat­be­ra­tung etwa 1000 De­mons­tran­ten ein und stellten ihre beschei­de­nen For­de­run­gen. Für den 28. Ja­nuar planen Occupy und Attac eine Ver­an­stal­tung in der Alten Feuer­wa­che mit Werner Rügemer und einem Vertre­ter der PDL-Stadt­rats­frak­tion. Sie mobi­li­sie­ren schon mal gegen die Kür­zungs­pläne. Wahr­schein­lich wird es am 16. März zu einer größe­ren De­mons­tra­tion in Köln zu diesem Thema kommen. Strittig sind indes noch die Alternativen.

 

Am Samstag machten in der ört­lichen Presse ein dubio­ser Hotel­chef namens Werner Peters (»Gründer und Vorsitzen­der der Partei der Nicht­wähler«) von sich reden sowie der Manager Karl-Heinz Pütz, der angibt, für die Künst­ler von »Arsch huh« zu sprechen. Ihnen ist der Bau des Jüdi­schen Museums ein Dorn im Auge, insbe­son­dere die 50 Mil­lio­nen Euro, die dieser Bau kosten soll. Schon am 9. No­vem­ber war zu bemer­ken, dass Pütz nicht nur für »Arsch huh« auftritt, sondern auch Chef von Random House Audio ist, eine Firma des Bertels­mann-Impe­riums. Random House ist der Verlag, der 1,5 Mil­lio­nen Exemplare des Sarra­zin-Buches verkauft hat. Bisher reden die beiden Herren nur von Pla­nun­gen. Sie pla­nen »eine Inter­net-Kam­pagne gegen den 50 Mil­lio­nen Euro teuren Bau der Archäo­lo­gi­schen Zone und des Jüdi­schen Mu­seums; in den nächs­ten Tagen wollen sie sich zu einer Art Grün­dungs­ver­samm­lung treffen.« In der Run­dschau konnte Jochen Ott von der SPD dazu tref­fend be­merken: »Wissen Sie, bei der Diskus­sion um Oper und Schau­spiel habe ich mich manch­mal gefragt, warum diese Ein­wän­de nicht kamen. dass nun beim ersten Kultur­pro­jekt, das für alle Kölner da sein soll, die sozia­le Frage dage­gen­ge­scho­ben wird, wun­dert mich schon.«

 

Was sind unsere Forderungen? Wie sind sie zu entwickeln?

Angesichts der Aktionen zum Thema UmFAIRteilen, die jeden­falls die Gewerk­schaft Verdi in Köln hin­sicht­lich der Betei­li­gung ent­täuschte – erhofft waren 10 000 De­mons­tran­ten, gekom­men sind allenfalls 4 000 – wird es nicht leicht sein, die Klasse mit Steuer­alter­na­tiven hinter dem Ofen her­vor­zu­lo­cken. Wir müssen die Proteste gegen die nächst­lie­gen­den, die spür­bars­ten Ein­schnit­te verbin­den mit solchen gegen die Um­ver­tei­lungs­ma­schi­nen Fis­kal­pakt und ESM. Allein der Protest gegen an­geb­li­che Pre­stige­projekte, ohne Verknüp­fung mit der Frage Arm und Reich, greift zu kurz und trifft die Dra­ma­tik der Kür­zungs­maß­nah­men nicht. Der Protest muss sich gegen die Banken und Groß­kon­zer­ne richten. Nur so kann er auch die not­wen­dige Breite erreichen.

 

Streichen bei den Reichen, statt Sparen bei den Armen!

 

Klaus Stein, 7. Januar 2013


Fotos von der Protestaktion am 18. Dezember 2012 (Klaus Stein)