Düsseldorf
Wenn ein neues Krankenhaus auf dem letzten Platz landet
1,5 Millionen Patienten bewerteten »ihre« Kliniken – Der Rotstift als Skalpell
Viele Kliniken in Deutschland befinden sich in der Krise. Krankenhäuser verkommen zum »Markt-Platz« für die Ware Gesundheit. Patienten sind unzufrieden. Beschäftigte verschiedener Abteilungen werden outgesourct, aus dem »Kerngeschäft« ausgegliedert.
Die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) und die Barmer GEK haben 1,5 Millionen Versicherte befragt, wie sie den Krankenhausaufenthalt, von dem sie aktuell betroffen waren, bewerten würden. Ergebnis: So wie bisher kann es nicht bleiben.
Bewertet wurde nach folgenden Merkmalen: »Ärztliche Versorgung«. »Pflegerische Betreuung« sowie »Organisation und Service«. Schließlich wurden die Patienten gefragt, ob sie für das Krankenhaus ein »Weiterempfehlen« geben würden. Die Patientenzufriedenheit wurde in Prozent gemessen. 100 Prozent bedeutete also »Volle Zufriedenheit«. Bundesweit gab es 706.000 Rückmeldungen, in NRW waren es 124.000. Die Quote der Rückläufer betrug fast 50 Prozent.
Bei der »Ärztlichen Versorgung« gaben die Patienten den Kliniken Mörsenbroich-Rath den besten Wert (86). Am schlechtesten schnitt das Sana-Krankenhaus Gerresheim ab (78). Vorletzter ist das Sana-Krankenhaus Benrath. Bei der »Pflegerischen Betreuung« führt die Paracelsus-Klinik Golzheim (84). Am Ende rangiert wieder Sana in Gerresheim (73). An vorletzter Stelle liegt erneut Sana in Benrath. Die letzte Stelle bei »Organisation und Service« hat ebenfalls Sana in Gerresheim (68), diesmal zwei Plätze davor: Sana in Benrath (73). Es erscheint logisch, dass für das Sana-Krankenhaus in Gerresheim die wenigsten Weiterempfehlungen ausgesprochen werden (70). Benrath liegt wiederum an vorletzter Stelle (74).
Im Vergleich mit 47 anderen Kliniken in NRW liegt das Sana-Krankenhaus Gerresheim bei der »Ärztlichen Versorgung« an drittletzter Stelle. Schlechter ist das Sana-Klinikum Remscheid (73). Den vorletzten Platz belegt Sana Gerresheim auch im NRW-Vergleich bei der »Pflegerischen Betreuung«, gefolgt von Sana in Remscheid. Bei dem Vergleich gab es die zweitwenigsten »Weiterempfehlungen« für Gerresheim, schlechter war nur ein Krankenhaus in Willich.
Die vier Sana-Kliniken, drei Helios-Kliniken, die Paracelsus-Klink in Düsseldorf-Golzheim, die Capio-Klinik in Hilden (Capio AB, Schweden) haben private Träger. Die meisten Krankenhäuser in NRW stehen unter kirchlicher oder kommunaler Trägerschaft.
Landesgeschäftsführer Heiner Beckmann von der Barmer vertrat in der Westdeutschen Zeitung die Auffassung, dass es egal sei, ob es sich um öffentliche, kirchliche oder private Krankenhäuser handele. Alle Träger hätten »Häuser, die etwas tun müssen.«
Die DKP hat die Analyse am Beispiel von elf berücksichtigten Krankenhäusern in Düsseldorf genauer unter die Lupe genommen. Für die auffallend schlechten Werte für das Sana-Krankenhaus in Gerresheim mag es eine vordergründige Erklärung geben: Das alte Gebäude wurde bei laufendem Betrieb abgerissen und durch ein neues ersetzt. Gegen diese Erklärung spricht eine Aussage von Markus Mohrmann, Vorstand AOK Rheinland/Hamburg, dass in ältere Kliniken zu wenig investiert werde. Zumindest eine Personalie, die sehr leise behandelt wurde, fällt in diesem Zusammenhang auf: Dr. Birgit Fouckhardt-Bradt war plötzlich nicht mehr Geschäftsführerin bei Sana… Der »Freundeskreis Gerresheimer Krankenhaus e.V.« war jedenfalls sehr überrascht: »Die Art und Weise des Vorgehens des Sana Vorstands und die mangelhafte Kommunikation sorgten für Verwunderung. Schließlich haben wir jahrelang mit Dr. Fouckhardt-Bradt gut zusammengearbeitet. Sie und ihr Team hatte mit dem Bau eine organisatorische Bestleistung vollbracht…«
Insgesamt geht es um viel Geld, denn die Stadt Düsseldorf hat mit ihrer CDU/FDP-Mehrheit nicht nur die Mehrheit des kommunalen Krankenhauses an Sana abgegeben. Umgekehrt hat Sana sich verpflichtet über 50 Millionen Euro zu investieren. Die neuen Anteilseigner von Sana betrachten diese Summe nicht als »Spende«, sondern als Investition, die sich gewinnbringend amortisieren soll.
Entlassungen und Wiedereinstellungen zu niedrigeren Löhnen sind zwar nicht vertrauensbildend, steigern aber den Gewinn: Bei Sana Gerresheim wurden 70 Kolleginnen und Kollegen des klinikeigenen Personals entlassen. Neben der Küche wurden auch die Bereiche Bettenzentrale, Reinigung und EDV »ausgegliedert«. Das Ende des fünfjährigen Kündigungsschutzes kam da gerade richtig. Die Bewirtung der 560 Gäste beim Richtfest war der letzte öffentliche Auftritt des Küchenpersonals.
Dazu gab es eine personal- und gehaltsrelevante Umorientierung: Sana trat aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) aus. Das war für viele gutgläubige »Sozialpartner« ein Vertrauensbruch, hatte es doch geheißen: »Bei Sana sind wir der festen Überzeugung, dass die Verlässlichkeit des Arbeitgebers wesentlich ist für Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.«
Es gab über Monate Streit und Streik, da die Vorteile des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes (TVöD) von Sana durch einen Haustarifvertrag à la Sana gekippt werden sollten. Die Arbeitskampfmaßnahmen zeigten Wirkung: Sana ging eine Gastmitgliedschaft beim KAV ein und übernahm den TVöD.
Der Hintergrund dieser Verhältnisse wird von der Sana Kliniken Aktiengesellschaft (AG) gebildet. Die AG ist nicht börsennotiert. Sie betreibt 48 Krankenhäuser und Seniorenzentren. Dort arbeiten 26.000 Kolleginnen und Kollegen, die dafür sorgen, dass die »Ergebnisse« stimmen – die medizinischen und die finanziellen. Die Gewinne gehen an die Aktionäre. Das sind 31 Unternehmen der privaten Krankenversicherungen (PKV). Ihre Anteile in Prozent: DKV (21,7 %), Signal (14,5), Allianz Private (13,8), Continentale (10,1), Debeka (10,1), Deutscher Ring (4,2), Barmenia (3,7) und 24 andere private Krankenversicherungen halten 21,9 Prozent, darunter AXA, HUK-Coburg und Mannheimer.
Wenn Heiner Beckmann von der Barmer mit Blick auf die Patientenzufriedenheit die Auffassung vertritt, dass alle Krankenhausträger »etwas tun müssen«, dann ist das wohl unbestritten. Und für bestimmte Träger gilt dies ganz besonders.
Text und Foto: Uwe Koopmann