Düsseldorf

70 Jahre Westintegration von Nordrhein-Westfalen

De Prinz kütt:
William Arthur Philip Louis

 Begehbarer Transportwagen mit Vorzelt: «Karriere Treff Bundeswehr on Tour. Wir. Dienen. Deuschland.».

Das Programm zum 70. Geburtstag von Nordrhein-Westfalen offenbarte: Es gibt immer noch einen Nachholbedarf zur Identitätsstiftung in dem Bindestrich-Land. Die Defizite entsprechen der Verschiedenheit der Landesteile. Der Rheinländer weiß hundertzehnprozentig, dass der Westfale stur ist und dass es Bielefeld gar nicht gibt. Umgekehrt sind sich die Westfalen felsenfest sicher, dass die Rheinländer alle einen Sockenschuss haben. Als eine besondere Modifikation gilt die herzensgute Todfeindschaft zwischen Köln und Düsseldorf. Friedensangebote wirken immer krampfhaft. So wird zeitgleich zum Geburtstag auf der Königsallee vom Holy Craft Beer Store «Dölsch» angeboten, eine obergärige naturtrübe Biermelange aus Alt und Kölsch.

Sicherlich gehört richtiges Bier zum Geburtstag. NRW hat davon viel. Insgesamt etwa 200 Brauereien produzieren. Dortmund und Oelde (Westfalen) haben sogar ein eigenes Biermuseum. Die letzten 70 Jahre haben aber auch verdeutlicht, dass selbst beim Bier das Kapital mit Akkumulation und Konzentration und selbst mit internationaler Verflechtung das Geschäft prägt. Anheuser-Busch InBev gehört international zur Spitze. «Dr. Oetker» (Stammhaus Bielefeld) schluckt und schluckt ebenfalls.

Alkohol gilt ja bei mancher Geburtstagsfeier als Weichzeichner. Bereits in der Antike wurden (Flüssig-)brot und Spiele (Panis et Circenses) eingesetzt. Die Römer waren ja nicht nur seit 2000 Jahren in Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Köln, Rheinland) trinkfreudig, während jenseits des Limes die Barbaren (Westfalen) wüteten. Die hatten kein Vinum – aber viel göttliches Met.

Höhepunkt des Geburtstages: der offizielle Festakt. Alle, die etwas zu sagen hatten, waren in der Düsseldorfer Tonhalle dabei: die Ministerpräsidentin, der Bundestagspräsident, die Kanzlerin, der Oberbürgermeister, die Damen und Herren aus den Konzernzentralen. Als Vertreter der britischen Geburtshelfer war Prinz William (de Prinz kütt) gekommen, beglückwünschte das Geburtstagskind und beschwor die weiterhin enge Zusammenarbeit von GB und NRW. Die am 5. Dezember 2014 rund 3.300 arbeitslos gewordenen Opelaner in Bochum waren nicht eingeladen worden. Nicht einmal ein Vorzeigearbeitsloser. Dabei hätte es doch so viele davon gegeben. Einer von 732.949 in NRW wäre bestimmt gekommen, wenn er eine Einladung erhalten hätte. Auch nicht eingeladen: die Kritiker des Rüstungskonzerns Rheinmetall, die Kritiker des Joint Air Power Competence Centre («Kriegszentrale») in Kalkar, die Kritiker des Bayer-Konzerns, die Kritiker von Rheinbraun, die Kritiker des Atom-Lagers in Ahaus,…

Auch die DKP war nicht eingeladen, obwohl die KPD im ersten Landtag mit mehr als 60 Abgeordneten vertreten war und in den beiden Kabinetten von Ministerpräsident Rudolf Amelunxen (parteilos) mit Heinz Renner (Soziales) und Hugo Paul (Wiederaufbau) bis zum 5. April 1948 zwei Minister stellte. Wer einmal verboten wurde, muss auch nicht mehr eingeladen werden. Minister und Senatoren stellte die KPD übrigens auch in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein.

Für ihr Programm zum Geburtstag am Rhein hatte die Bundeswehr (BW) die ehemalige UZ-Festwiese von 1972/74 erobert und in eine «Bundeswehrmeile» umfunktioniert, gleich neben der »Kinder- und Jugendmeile». Die Selbstdarstellung war allerdings lückenhaft. Es fehlte bei der BW zu Beispiel ein historischer Hinweis auf die von Churchill 1945 initiierte «Operation Unthinkable», gemäß der am 1. Juli 1945 etwa 47 Divisionen der britischen und amerikanischen Truppen und 100.000 Soldaten aus der deutschen Wehrmacht gegen die Rote Armee auf Dresden vorrücken sollten. Die konventionelle militärische Überlegenheit der Sowjets verhinderte die angloamerikanischen Invasionspläne. Heute hat die NATO den Vormarsch bis zur Westgrenze Russlands längst umgesetzt, ganz «friedlich». Begleitet und auf dem Bildschirm abgesichert wird der Vormarsch in der NATO-Kommandozentrale im niederrheinischen Kalkar. Die hochgeheime «Operation Unthinkable» kam 1998 nach mehr als 50 Jahren an die Öffentlichkeit. Die heutigen Invasionspläne der BW, die der Eroberung der Schülerinnen und Schüler in deutschen Schulen gelten, trafen auch beim NRW-Geburtstag auf Protest – und das just in time. – Na denn: Prost!

Text und Foto: Uwe Koopmann