Köln
Gegen Nazihooligans
Vorausschauender Umwälzschutz
Immerhin 1500 Menschen beteiligten sich am vergangenen Sonntag an der Protestkundgebung vor dem Kölner Bahnhof im Schatten des Doms. Denn hinter dem Bahnhof trafen sich Nazihooligans zu einer Veranstaltung von »HoGeSa« (Hooligans gegen Salafisten). Anmelder dort: Pro-NRW-Funktionär Dominik Roeseler.
Zu den Protesten hatten innerhalb von 10 Tagen Kölner antifaschistische Gruppen und Bündnisse mobilisiert, zuletzt der DGB Köln/Bonn. Unter anderem spricht die Vorsitzende von Ver.di Köln, Heidrun Abel. Die Delegierten hatten noch am Vortage symbolisch den Rechten die »rote Karte« gezeigt und ihre Vorsitzende beauftragt, hier zu reden. Auch der Kölner Musiker Stefan Brings tritt auf.
Peter Trinogga, Sprecher der VVN/BdA Köln, sagt: »die ›Hooligans gegen Salafismus‹, die Neonazis und Rassisten, die wenige hundert Meter von hier entfernt ihre menschenfeindlichen Parolen herausbrüllen, sind aus dem gleichen Holz geschnitzt, wie die selbsternannten Gotteskrieger. Es eint sie der gleiche wahnhafte Hass auf alle diejenigen, die nicht so sind und auch nicht so sein wollen, wie sie selbst. Auf dem Breslauer Platz und im Kunibertsviertel geht es nicht um Salafismus, um Scharia oder um Solidarität mit den Menschen in den kurdischen Gebieten. Die meisten, die jetzt dort stehen, werden von Menschenfeindlichkeit, von Rassismus, von Neofaschismus angetrieben.« Dann berichtet er von Eintragungen auf der HoGeSa-Facebookseite, wo über schwarz-rot-gold gesagt wird: »Wer sich für diese Drecksfarben hergibt, braucht sich über die heutige Situation gar nicht zu beschweren«. Stattdessen der Vorschlag, unter der schwarz-weiß-roten Reichsflagge zu marschieren. Die Antifaschisten würden dort als »links-rot-grün versiffte Gegendemonstranten« beschimpft. Ein weiterer Eintrag: »Ich kann nicht mehr zusehen, wie mein Land ausgesaugt wird und letztlich daran kaputt geht«. Und es wird kaum verhüllt zu rassistischen Pogromen aufgerufen: »Auf geht’s nach Hoyerswerda, da hatten wir das Spielchen schon mal, vor ca. 23 Jahren.«
Und in der Tat, die Schläger auf dem Breslauer Platz brüllen nicht nur »Ahu« und »Hooligans – Deutschland«, die Losungen heißen: »Wir wollen keine Salafistenschweine«, »Frei, sozial und national«, »hier marschiert der nationale Widerstand«.
Es sind unerwartet viele, fast 4000 Nazihooligans. Sie missbrauchen die Republikfahne ebenso wie das Vergnügen am Fußball. Ganz unsportlich werfen die angeblichen Sportsfreunde Flaschen, Böller und Steine auf Passanten. Dazu reicht es, wenn verhüllte Musliminnen im Fenster erscheinen oder Fotografen ihre Kameras zücken. Es gibt weit über 50 Verletzte. Gegen die Randale setzt die Polizei Wasserwerfer ein. Die Presse urteilt, die Veranstaltung der Hooligans sei aus dem Ruder gelaufen.
Aber am nächsten Morgen behauptet NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) im ZDF, das Polizeikonzept habe funktioniert. So sieht es auch Burkhard Freier, Leiter des NRW-Verfassungsschutzes. Dem WDR sagt er, »die Krawalle« seien keine Überraschung gewesen - weder für den Verfassungsschutz noch für die Polizei. – Keine Überraschung!
Vor zwei Jahren, im Mai 2012, provozierte Pro Köln wiederholt Muslime mittels Mohamed-Karikaturen. Sicherlich keine Überraschung für Verfassungsschutz und Polizei. Die Beamten hatten Gelegenheit, gegen protestierende Salafisten vorzugehen. Kurz vor den Landtagswahlen machte sich das gut. Und in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage, die durch die fortdauernde Krise charakterisiert ist, dürfte diese Konstellation »Hooligans gegen Salafisten« ebenfalls die erwünschte Desorientierung erreichen.
Der WDR-Radionachricht am Montagmorgen »NRW-Innenminister Jäger sieht neue Gefahr nach Hooligan-Krawallen« folgte unmittelbar: »Deutsche Wirtschaft bewertet Lage und Aussichten schlechter«.
In der Tat: Vielleicht beruhigt uns der lächerliche Stresstest der Banken durch die EZB. Womöglich glauben wir jetzt wieder an die Stabilität des Finanzsystems. Aber die Aussichten sind ohnedies schlecht: bei Ford-Köln wird an 11 Tagen im Oktober kurzgearbeitet. Dem Sprinter-Werk von Daimler in Düsseldorf drohen 1800 Entlassungen. Denn Autos kaufen keine Autos.
Vor 14 Tagen meldete die Presse, dass auf Drängen der Bundesländer NRW und Bremen das Bundesarbeitsministerium derzeit eine Verordnung vorbereite, wonach das Kurzarbeitergeld auch im kommenden Jahr von sechs auf zwölf Monate verlängert werde. Und NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider sprach sich gar dafür aus, in Einzelfällen bis zu 18 Monate Kurzarbeitergeld zu zahlen.
So könnten Entlassungen vermieden werden.
Und soziale Unruhen als mögliche Folge, denken wir uns.
Im anderen Fall dürfte es im Sinne von Herrschaftssicherung nützlich sein, wenn sich die Arbeitenden, je nach Gebetbuch, gegenseitig bekriegen, statt den Zorn auf die Nutznießer der Krise und Anstifter der Kriege, auf die Herren der Konzerne und Banken, zu richten.
Ähnlich wie uns imperialistische Kriege als humanitäre Kampfeinsätze oder als Notwehr gegen islamistischen Terror verkauft werden und in der Folge die Ölstaaten Irak, Libyen, Syrien zerfallen, erstreben unsere Herren, den zaghaften, aber womöglich wachsenden Widerstand gegen Arbeitslosigkeit, Armut, Sozialabbau nach demselben Muster zu zerlegen. Ihre Angst ist gewaltig.
Größer als unsere Zuversicht. Vor allem angesichts dessen, dass die Hooligans zunächst mal Oberwasser haben.
Text und Fotos: Klaus Stein