Köln
Gruppenbild mit Dame, Höflichkeit und Knast
Wie wir so feiern
Jahresende DKP Innenstadt 2017
19. Dezember 2017. Dirk kommt auf Krücken. Sein Knie heilt aber. Er sieht belesen aus. Walter kassiert grummelnd, gibt Marken, rechnet ab für die frische Ausgabe von «de rude Pooz». Raimund schleppt heiße Töpfe heran.
Die Tafel ist vollgestellt mit Wein, Kölsch, Gebäck, saisonaler Dekoration sowie einem CD-Stapel. Gerade erschienen: Walter («Marx, Engels, Stehling») liest das Kommunistische Manifest op Kölsch. 79 Minuten, 10 Euro.
Erasmus verschenkt Antiquarisches aus seiner Bibliothek.
In der Küche dünsten Zwiebeln. Gleich wird Himmel & Äd serviert.
Dann Ruhe. Heinrich Böll würde übermorgen hundert. Walter liest zunächst Bölls Gedicht «Köln III». Es folgt das Höflichkeitsgedicht («Höflichkeit bei verschiedenen unvermeidlichen Gesetzesübertretungen», 1971). In dem ist von einer alten Dame die Rede, die angesichts eines Notfalls eine Sparkassenfiliale überfällt, 5000 Mark erbittet, 7000 bekommt, den Rest in Raten zurückzahlt. Zuletzt hören wir eine Stelle aus dem Roman «Gruppenbild mit Dame» (1971), wo eine rheinische Separatistin gegen Strauß wettert.
Christine erzählt von ihrer Gefängniszeit. Das hat sie noch nie gemacht. Am 17. Februar 1961 war sie festgenommen worden. Eine regelrechte Verhaftungswelle, 70 Genossinnen und Genossen waren betroffen. Die KPD war seit 1956 illegal, Christine hatte sich betätigt. Man fand leere Briefumschläge mit Adressen. Das war‘s. Sie bekam viereinhalb Monate, wurde im Gefängnis isoliert, durfte nur allein an die frische Luft. Als eine junge Frau in eine Nachbarzelle verlegt wurde, kam etwas Geselligkeit zustande. Aber sie führte unverzüglich dazu, dass die Zelle wieder frei wurde und blieb. Ermittlerinnen fragten immer wieder nach ihren Verbindungen. Die erfuhren sie nicht. Auch nicht, als Verwandte in Bottrop und woanders demonstrativ verhört wurden. Provokativ wurde ihr angeboten, Briefe in die DDR zu schmuggeln. Nachdem sie zeitweise das dunkle Brot nicht vertrug und der Gefängnisarzt Weißbrot verschrieben hatte, kamen die Ermittler auf die Idee, sie auszuführen und auf der Dürener Straße vor einen Delikatessladen zu stellen. Dort wurde ihr befohlen, den Blick auf die Auslagen zu richten. Sie hat sich aber auch die Blumen im Laden nebenan angesehen. Jedenfalls war Christine so nicht zu bewegen, über ihre Verbindungen Aussagen zu machen.
Nach der Haft war ihr Job bei Kiepenheuer & Witsch futsch. Sie fand einen in der Kaufhalle.
Klaus erinnert an den 75. Geburtstag eines anderen Schriftstellers, Peter Handke, der am 6. Dezember 1942 geboren wurde. Handke war im Mai 2006 der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Preis zuerkannt worden. Der Schriftsteller hatte wiederholt, auch 1999 während des Bombenkriegs der NATO, serbische Städte besucht. In Kragujevac hatte er das zerstörte Autowerk gesehen, darüber und über weitere Kriegsschäden berichtet. Das war zu viel der Parteinahme. Hysterisch wurde die Entscheidung der Jury von Politikern skandalisiert, von CDU, SPD, FDP, Grünen. Bis Handke verzichtete.
Text und Foto: Klaus