Düsseldorf

Sag mir, wo du wohnst – sag mir, wo Du stehst!

Gen­tri­fi­zie­rung als Klas­sen­kampf auf dem Schlacht­feld der Woh­nungs­po­li­tik in Düs­sel­dorf

Wohnblocks hinter Bahnlinie mit Schallschutzzaun. Beschriftung: »No surprising news…«.

Der Düs­sel­dorfer Ober­bür­ger­meis­ter Dirk Elbers (CDU) brachte die herr­schen­de Woh­nungs­bau­po­li­tik in der nord­rhein-west­fäli­schen Landes­haupt­stadt auf den Punkt: »Wer nicht genug Geld habe, um in Düs­sel­dorf wohnen zu kön­nen, könne ja in's nieder­rhei­ni­sche Um­land ziehen.« So die Nach­richten des WDR am 10. Sep­tem­ber, etwa fünf Minu­ten nach 12.

Christiane Schnura, viele Jahre Vertre­te­rin der DKP im Rat­haus von Düs­sel­dorf-Eller: »In Düs­sel­dorf werden innen­stadt­nahe Grund­stücke umge­wid­met: ehema­liges Gelände der Deutschen Bahn wird ›franzö­si­sches Viertel‹, das ehema­lige Land- und Amts­ge­richt entsteht als neues ›Schloss‹, und aus dem Alten­heim der Ordens­schwes­tern der Töchter vom Heili­gen Kreuze (There­sien­hos­pital) wird die ›Schloss­ufer-Resi­denz Düs­sel­dorf‹. Hier haben Leute, die ›nicht genug Geld haben‹, nichts zu suchen. Die DKP kriti­siert: Hier wird Klas­sen­kampf über die Woh­nungs­po­litik ausge­führt. Flächen­nut­zungs­plä­ne, Bebau­ungs­pläne und Bau­pläne dienen einem Ver­nich­tungs­feld­zug gegen das Grund­recht auf Wohnen.«

Die Gentrifizierung – die Aus­son­derung von weniger Wohl­ha­ben­den – ist einge­leitet. Dr. Gre­gor Bonin, Dezer­nent für Bauern und Planen, drückte das kürz­lich in einer Moni­tor-Sen­dung etwas diplo­ma­ti­scher aus: »Qua­lität vor Quan­tität«. Diese Forde­rung ist etwas »irre­füh­rend«, denn Düs­sel­dorf soll nach Vorstel­lun­gen der Immo­bi­lien­wirt­schaft und der Stadt­spitze auch quanti­tativ wachsen. 600 000 Ein­woh­ner werden ange­strebt. Aber nicht jeder ist willkommen.

In »Le Quartier Central« fangen die Mieten bei zehn Euro pro Quadrat­meter an. Der Schnitt liegt über 13 Euro in Düs­sel­dorf bei Steige­rungs­ra­ten bis 20 Pro­zent. Etwa 30 000 neue Woh­nun­gen werden avi­siert, aber nur 15 000 wer­den reali­siert. Das Reihen­haus kostet in fünf Jahren 65 000 Euro mehr und steht jetzt bei 365 000 Euro, das frei­ste­hen­de Einfa­mi­lien­haus bei 650 000 Euro.

Etwas teurer darfs beim ehema­ligen There­sien­hos­pi­tal werden: Hier ent­ste­hen Woh­nun­gen zwischen 45 und 250 Qua­drat­me­tern. Als Design-Linien wurden »Classic Metro­po­li­tan«, »Pop Art« und »Land­art« ange­boten. Für Kauf­inter­es­sen­ten, die gar nicht alle bedient werden kön­nen, liegt der Preis zwischen 5000 und 13 000 Euro – pro Qua­drat­meter. Dafür ist dann auch ein Concierge-Service geplant, der sich um Chauf­feur und Luxus­limou­sinen küm­mert. Die Preise galop­pie­ren, die Immo­bilien­haie und Banken haben Blut geleckt.

Die ideologische Flankierung der »Luxus-Ghet­tos für die Reichen« geht so weit, dass sich die Wohn­anla­gen mit Namen wie »Heinrich-Heine-Gärten« schmücken. Heine wäre eher um seinen Schlaf gebracht, wenn er an das neue Düs­sel­dorf in der Nacht denken würde und dabei entdecken könnte, dass »sein« Viertel mit Schran­ken, Video­kame­ras und Stahl­zäunen in den Hecken vor dem Prole­tariat geschützt wird.

Lärmschutz vor Wohnbauten.

Die andere Seite der Klassen­front: In NWR fehlen nach einer Studie des Pestel-Insti­tuts etwa 1,2 Mil­lio­nen Sozial­woh­nun­gen. Jährlich gibt es 46 000 So­zial­woh­nun­gen weniger, da die Miet­preis­bin­dung ausläuft. NRW-Bau­mi­nis­ter Michael Groschek (SPD) kriti­siert, dass Düs­sel­dorf vorhan­dene Förder­mit­tel beim Land nicht abrufe: nur 28 von 47 Mil­lio­nen. Ober­bür­ger­meister Elbers klagt dage­gen markt­kon­form: »Seit Jahren bekla­gen Inves­toren, dass die beste­hende Landes­för­de­rung gerade in den Groß­städten aufgrund der höhe­ren Grund­stücks­preise wirt­schaft­lich nicht aus­kömm­lich sei.« Und durch die Hinter­tür bedient Elbers die Gen­tri­fi­zierer: »Im Übri­gen denken wir in Düs­sel­dorf im Umgang mit der wachsen­den Stadt bewusst regio­nal. Men­schen leben und arbei­ten gerade in den Ballungs­re­gio­nen nicht in star­ren Stadt­gren­zen. In Düs­sel­dorf zu arbeiten und in den umlie­gen­den Gemein­den zu wohnen, ist die gelebte Rea­lität vieler Menschen.«

Christiane Schnura: »Bei allen wechsel­seiti­gen Schuld­zu­wei­sun­gen bleiben die CDU- und SPD-Poli­ti­ker den kapita­lis­ti­schen Verwer­tungs­bedin­gungen im Wohnungs­bau verhaf­tet. Bezahl­bares Wohnen als Grund­recht für alle steht bei ihnen nicht auf der Agenda. Dazu müss­ten sie schon die Eigen­tums­frage stellen. Die aber steht nicht im Programm.« Die DKP in Düs­sel­dorf disku­tiert, wie sie umfas­sen­der in die Kom­mu­nal­po­li­tik eingrei­fen und die Kom­mu­nal­wahl 2014 ange­hen kann. Schnura: »Heinrich Heine hätte sicherlich nichts gegen eine ›Wohnungs­genos­sen­schaft Karl Marx‹ in Düs­sel­dorf!«

Uwe Koopmann