Köln
Mit den Völkern Europas gegen das Europa der Konzerne und Banken!
Zum EU-Wahlprogramm
Beschluss der KV der DKP Köln vom 14. Januar 2014
»Täglich verschwinden mehr und mehr die törichten Nationalvorurteile, alle schroffen Besonderheiten gehen unter in der Allgemeinheit der europäischen Zivilisation, es gibt jetzt in Europa keine Nationen mehr, sondern nur Parteien […]«
So optimistisch schrieb Heinrich Heine im Jahr 1828. Vor 185 Jahren.
Aber Nationalvorurteile sind zäh. Die Herrschenden konnten sich ihrer in zwei Weltkriegen bedienen. Und sie werden es wieder tun, um uns in neue Kriege zu jagen.
Heine hoffte auch:
»Es ist die Emanzipation der ganzen Welt, absonderlich Europas, das mündig geworden ist und sich jetzt losreißt von dem eisernen Gängelbande der Bevorrechteten, der Aristokratie.«
(»Reise von München nach Genua«)
Nun, die »Emanzipation der ganzen Welt, absonderlich Europas« lässt auf sich warten. Unterdessen sind es nicht mehr die Aristokraten, sondern die Superreichen des Geldadels, die Herren der Banken und Konzerne, die uns am Gängelband halten. Und losgerissen haben wir uns noch lange nicht. Mehr als je entscheidet der Börsenwert. Ihm wird die menschliche Würde, die Demokratie und die Menschenrechte auf Arbeit, Bildung, Gesundheit und Wohnung geopfert. Anteile am Banken- und Konzerneigentum geben den Ausschlag, immer weniger entscheiden Stimmenanteile bei den Wahlen. Die EU-Kommission kniet vor dem Altar des shareholder value. In Brüssel begründen Börsenwerte und Aktienindexe die politischen Entscheidungen.
Eine wachsende Zahl von Menschen in Europa erkennt aber auch, dass Arbeitslosigkeit und Armut kein unausweichliches Schicksal sind. Sie wehren sich gegen die Parole der marktkonformen Demokratie. Sie klagen ihre sozialen Menschenrechte ein, kämpfen gegen Lohndumping, für bezahlbares Wohnen, für eine ausreichende Ernährung frei von Genmanipulation, gegen die Verschmutzung der Luft, gegen die Atomenergie, für eine umfassende Bildung. Sie gehen gegen die Kriegsgefahren auf die Straße.
Die globalisierte Arbeitsteilung erzeugt riesige Reichtümer. Aber nur wenige Menschen sind es, die sich die Ergebnisse des Fleißes der vielen aneignen und über ihre Verwendung entscheiden. Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst. Angesichts dessen drängen die Völker Europas auf eine Richtungsänderung der Umverteilung.
Gegenwärtig druckt die Europäische Zentralbank (EZB) endlos Geld für wenige Privilegierte. So verwandelt sie private Schulden in öffentliche durch den unbegrenzten Kauf von Staatsanleihen. Zudem bewahrt der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) die EU-Länder vor der Zahlungsunfähigkeit und rettet ihre privaten Gläubiger, die Banken und andere Finanzinstitute. Die dürfen in der nächsten Runde der Verwertung fiktiven Kapitals billiges EZB-Geld zu höheren Zinsen an die öffentlichen Haushalte weiterreichen.
Der ESM ist mit 700 Milliarden Euro ausgestattet. Dieses Institut wird von Managern und Bankiers geleitet, die zur Verschwiegenheit verpflichtet und immun sind. Sie können gerichtlich nicht belangt werden. Der europäische Fiskalpakt macht aber die Völker haftbar und erzwingt die Bedienung der ESM-Kredite wie in Deutschland, wo die Schuldenbremsen seit 2009 im Grundgesetz verankert sind.
Die neue Bundesregierung forciert diesen Kurs. Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition steht:
»Die von der letzten Großen Koalition verabschiedete Schuldenregel im Grundgesetz ist strikt einzuhalten. Der Bund hat die für ihn geltenden Verpflichtungen bereits frühzeitig erfüllt und darf dahinter nicht zurückfallen. Die gesamtstaatlichen Verpflichtungen aus dem Europäischen Fiskalpakt sind einzuhalten. Die Stabilitätskriterien für Defizit- und Schuldenquote nach dem verschärften europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt sind einzuhalten. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt verlangt eine konsequente Rückführung der gesamtstaatlichen Schuldenstandsquote auf unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Wir wollen die Quote innerhalb von zehn Jahren von 81 Prozent (Ende 2012) auf weniger als 60 Prozent zurückführen. Bis Ende 2017 streben wir eine Absenkung der Quote auf unter 70 Prozent des BIP an.«
Die Haushalte der EU-Länder, der Bundesländer, vor allem aber die der Städte und Gemeinden sollen die Krisengewinne der Superreichen bezahlen. Das muss ein Ende haben. Europa braucht Bewegung, umwälzende Reformen, eine demokratische Verfassung, ein Parlament, das die europäische Exekutive kontrolliert und die Gesetzgebungsinitiative hat. Europa braucht unabhängige Gerichte, die den Lobbyistensumpf in Brüssel trocken legen. Die Völker Europas müssen bestimmen, nicht die Konzerne und Banken. Die EZB gehört wie das gesamte Bankenwesen in öffentliche Hand und unter demokratische Kontrolle.
Aber in Europa machen die großen Banken, was sie wollen. EU-Regeln und -Gesetze sind nach ihren Maßgaben zugeschnitten, ebenso wie es der europäische Verfassungsentwurf war. Soziale Menschenrechte kamen nicht vor, stattdessen wurden Marktwirtschaft und freier Wettbewerb geschützt. Franzosen und Dänen lehnten im Jahre 2005 diesen Entwurf ab. Er scheiterte. Mit geringen Änderungen erstand er als Lissabonvertrag neu. Nur in Irland fand am 12. Juni 2008 ein Referendum statt. Der Vertrag fiel durch. Die Abstimmung wurde wiederholt. Viel Druck und kleine Zugeständnisse erzwangen drei Monate später die gewünschte Mehrheit. In den anderen EU-Staaten wurde der Lissabonvertrag in den Parlamenten abgenickt. Er gilt seit dem 1. Dezember 2009. Aber die Völker wollen Demokratie in Europa.
Immer mehr Menschen kämpfen gegen Liberalisierungsprogramme, gegen Privatisierung. Die europäischen Gewerkschaften erringen immer mal wieder Erfolge im Kampf gegen die Brüsseler Diktatur der Banken und Konzerne, wie gegen Bolkesteins Dienstleistungsrichtlinie, gegen Port Package I und II und zuletzt gegen die Konzessionsrichtlinie zur Wasserversorgung. Die Menschen gehen gegen die elektronische Überwachung auf die Straße. Gegen Faschismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Flüchtlingselend richten sich große demokratische Bewegungen. Es wächst aber auch die Solidarität mit dem sozialistischen Kuba, mit dem bolivarischen Venezuela und anderen Völkern der Welt, die gegen den Imperialismus kämpfen.
Das Gängelband, von dem Heine sprach, hat zwei Enden. Wer zieht und wohin gezogen wird, hängt vom Kräfteverhältnis ab. Wir haben durchaus Einfluss auf Tempo und Richtung – je einiger wir sind, desto mehr. Die Ziele von Banken und Konzernen heißen Armut und Krieg. Aber die Völker in Europa drängen zu demokratischem und sozialem Fortschritt.
Die DKP kandidiert für das Europaparlament. Wir konzentrieren uns auf wenige Fragen. Wir meinen: Der Widerstand gegen Kürzungen und Privatisierungen muss wachsen. Schuldenschnitt statt Schuldenbremsen! Die Reichen müssen zahlen!